Der jüdische Krieg.
Titus ihn zu beglücken, wenn er unter die wenigen, die er auszeichnete, ihn, den Juden, aufnahm. Aber so wenig mühte er sich, ihn zu verstehen, daß er für solche Auszeichnung gerade das Medusenhaupt wählte, verpönte Darstellung nicht nur menschlicher Gestalt, sondern götzendienerisches Symbol. Es war kein Einverständnis möglich zwischen Juden und Römern. Sicher war dem Prinzen, der ihm wohlwollte, der Gedanke nicht einmal gekommen, daß eine solche Schildplatte dem Juden Kränkung mehr als Auszeichnung sein mußte. Josef war voll von Trauer und Beklommenheit. Allein er bezwang sich. »Ich bin es«, erwiderte er ehrerbietig die Formel, »der dem Feldherrn und der Armee zu danken hat. Ich werde versuchen, dieser Auszeichnung würdig zu sein.« Und er nahm die Schildplatte. Groß, das kühne Gesicht unbewegt, stand Berenike. Auf der Mauer, Kopf an Kopf, schauten die Juden zu, schweigend in der prallen Sonne.
Den Prinzen unterdes packte ein immer tieferer Verdruß. Was wollte er mit dieser Parade? Berenike wußte so gut wie er, was die römische Armee war. Sie ihr auf so protzige Art vorzuführen war taktlos, barbarisch. Da hockten diese Juden auf ihren Mauern, ihren Dächern, die gedrängten Tausende, schauten zu, schwiegen. Wenn sie geschrien hätten, gehöhnt. Ihr Schweigen war eine tiefere Ablehnung. Auch Berenike hat während des ganzen Vorbeimarsches kein Wort gesprochen. Dieses jüdische Schweigen verstörte den Titus.
Mitten in Betretenheit und Verdruß hat er eine Idee. Er wird eine neue, ernsthafte Vermittlungsaktion unternehmen. Als Einleitung einer solchen Aktion bekommt seine Parade Sinn und Verstand. Der Herr dieser Armee darf sich’s leisten, den Gegner zu Verhandlungen einzuladen, ohne daß man ihm das als Zeichen von Schwäche auslegt.
Leicht freilich fällt ihm dieser Entschluß nicht. Noch hält sein Vater die Fiktion aufrecht, es handle sich nicht um einen Feldzug, sondern um eine Polizeimaßnahme. Seine, des Titus, Meinung ist das nicht. Er und seine Armee sehen als Lohn und Ende ihrer Mühe einen Triumph in Rom vor sich, ein strahlen des, ehrenvolles Schauspiel. Schließt aber das Unternehmen mit Vergleich ab, dann kriegt er seinen Triumph nicht. Trotzdem: er steht hier nicht für sich. Rom treibt Politik auf weite Sicht. Er wird den Vermittlungsvorschlag machen.
Diesen Entschluß einmal gefaßt, hellt Titus sich auf. Jetzt hat seine Parade auf einmal Sinn, auch die Gegenwart der Frau hat Sinn. Des Prinzen Blick und Stimme werden jungenhaft, zuversichtlich. Er hat Freude an seinen Soldaten, er hat Freude an der Frau.
Die Zusammenkunft der Römer mit den Juden fand in der Nähe des Turms Psephinus statt, in Reichweite der jüdischen Schußwaffen. Von den Wällen ihres Lagers schauten die Römer, von den Stadtmauern die Juden zu, wie ihre Abgesandten sich trafen. Sprecher der Römer war Josef, Sprecher der Juden der Doktor und Herr Amram, Josefs Jugendfreund. Die Juden hielten zwischen sich und Josef peinlich den Abstand von sieben Schritten, sie machten, wenn er sprach, zugesperrte Gesichter. Nie an ihn richteten sie das Wort, immer an seine beiden römischen Begleiter.
Man lagerte auf der kahlen, besonnten Erde, Josef war waffenlos. Er hatte sich mit aller Inbrunst vorbereitet, die in der Stadt zur Vernunft zu bekehren. Sie hatten ihn Tag für Tag ihren Haß spüren lassen. Oft hatte man ihm Bleikugeln und andere Geschosse der Belagerten gebracht mit der eingeritzten aramäischen Inschrift: »Triff den Josef.« Sein Vater, sein Bruder lagen in den Kerkern des Forts Phasael, aufs übelste gequält. Er achtete es nicht. Er hatte alle Bitterkeit aus seinem Herzen getilgt. Hatte gefastet, gebetet, Jahve möge seiner Rede Kraft geben.
Es duldete ihn nicht auf der Erde, als er jetzt zu sprechen anhub. Er sprang auf, hager stand er in der Sonne, die Augen noch heißer als sonst vom Fasten und von dem Willen, zu überzeugen. Vor sich sah er das zugesperrte, verwilderte Gesicht des Doktor Amram. Seit Jotapat hatte Josef von Amram nichts mehr gehört, als daß er es war, der seine Bannung gefordert hatte. Es war kein gutes Zeichen, daß ihm die Juden als Partner gerade diesen seinen Studienkameraden schickten, der ihn mit gleicher Leidenschaft geliebt und gehaßt hatte. Wie immer, die Vorschläge, die Josef mitbringt, sind ungewöhnlich milde. Die Vernunft verlangt, sie zu erwägen. Beschwörend, mit scharfer, dringlicher Logik sprach Josef auf die jüdischen
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