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Der jüdische Krieg.

Der jüdische Krieg.

Titel: Der jüdische Krieg. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Abgesandten ein. Die Römer, setzte er ihnen auseinander, verpflichten sich, im ganzen Land den früheren Zustand herzustellen. Sie garantieren das Leben aller Zivilpersonen in der belagerten Stadt, die Autonomie des Tempeldienstes. Ihre einzige Forderung ist, daß die Garnison sich auf Gnade und Ungnade ergibt. Josef redete dem Doktor Amram zu, im Singsang, in den Formeln des theologisch-juristischen Disputs, die ihnen aus ihrer gemeinsamen Studienzeit vertraut waren. Er gliederte: »Was habt ihr zu verlieren, wenn ihr die Stadt übergebt? Was habt ihr zu gewinnen, wenn ihr es nicht tut? Übergebt ihr die Stadt, dann bleibt die Zivilbevölkerung, der Tempel, der Dienst Jahves gerettet. Muß die Stadt aber mit der Waffe erstürmt werden, dann ist alles verloren, Armee, Bevölkerung, Tempel. Ihr sagt vielleicht, die Armee sei nicht schuldiger als ihr, sie habe nur euern Willen ausgeführt. Mag sein. Aber schickt ihr nicht auch den Bock in die Wüste und legt ihm die Sünden aller auf? Schickt die Armee zu den Römern, laßt einige büßen statt aller.« Leidenschaftlich, beschwörend ging er auf den Doktor Amram zu. Aber der rückte fort von ihm, hielt die sieben Schritte Abstand.
      Kühl dann, als Josef zu Ende war, unterbreitete Doktor Amram den Römern die Gegenbedingungen der Juden. Er hätte sicher lieber aramäisch gesprochen, aber er wollte nicht mit Josef reden, so sprach er lateinisch. Er forderte freien Abzug der Garnison, Ehrenbezeigung für ihre Führer Simon Bar Giora und Johann von Gischala, die Garantie, daß niemals mehr eine römische Truppe nach Jerusalem gelegt werde. Das waren ungeheuer dreiste Forderungen, offenbar dazu bestimmt, die Verhandlungen zu sabotieren.
      Langsam, in mühsamem Latein, maskiert ins Gewand sachlicher Bedingungen, kam der aufreizend freche Unsinn aus dem verwilderten Antlitz des Amram. Josef hörte zu, auf der Erde hockend, müde vor Trauer über seine Ohnmacht. Von den Mauern schauten viele Gesichter. Eines, ein stures, fanati sches, mit törichten Augen, quälte Josef besonders, es lähmte ihn, es war wie ein Teil der Mauer, man konnte ebensogut an die Mauer hinsprechen. Dabei glaubte er, dieses Gesicht schon gesehen zu haben. So waren die Gesichter gewesen, die in Galiläa zu ihm hochgeblickt hatten, in stumpfer Bewunderung. Vielleicht war der junge Mensch einer von denen, die ihm damals zugejubelt hatten: Marin, Marin.
      Der Oberst Paulin versuchte noch einige freundliche, vernünftige Worte. »Lassen Sie uns nicht so auseinandergehen, meine Herren«, bat er. »Machen Sie uns einen andern Vorschlag, einen, den man erwägen kann.«
      Der Doktor Amram beriet eine kleine Weile flüsternd mit seinen beiden Begleitern. Dann, immer in seinem schweren Latein, höflich, doch sehr laut, sagte er: »Gut, wir haben einen andern Gegenvorschlag. Übergeben Sie uns die Leute, die wir für die Schuldigen halten, und wir nehmen Ihre Bedingungen an.« – »Was sind das für Leute?« fragte mißtrauisch der Oberst Paulin. »Das ist«, erwiderte der Doktor Amram, »der Mann Agrippa, früher König der Juden, die Frau Berenike, früher Prinzessin in Judäa, und der Mann Flavius Josephus, früher Priester der Ersten Reihe.« – »Schade«, sagte der Oberst Paulin, und die römischen Herren wandten sich, um zu gehen.
      In diesem Augenblick kam ein schriller Ruf von der Stadtmauer: »Triff den Josef!«, und mit dem Ruf kam schon der Pfeil. Josef sah noch, wie der Schütze auf der Mauer zurückgerissen wurde. Dann fiel er um. Es war der junge Mensch mit dem stumpfen, fanatischen Gesicht, der geschossen hatte. Der Pfeil hatte Josef nur am Oberarm getroffen. Es war wohl mehr die Erregung als die Wunde, die ihn umwarf.

    Der Prinz Titus war über den jämmerlichen Ausgang der Vermittlungsaktion sehr erbittert. Die Frau war daran schuld, daß er diesen läppischen Schritt getan hat. Sie nahm ihm seine Klarheit, machte seine grade Linie krumm. Er mußte mit dieser Angelegenheit Berenike zu Ende kommen.
      Wie war ihre Bedingung? Wenn zur Zeit, da die Römer in Jerusalem einziehen, der Hain von Thekoa noch steht, dann mag mir Titus aus dem Holz meiner Pinien das Brautbett machen lassen. Ihre Bedingung ist erfüllt. Daß er Jerusalem nehmen wird, daran ist kein Zweifel mehr. Er hat dem Hauptmann Valens, dem Kommandanten von Thekoa, Auftrag gegeben, drei Pinien des Haines zu fällen. Heute abend kann das Bett fertig sein. Er wird heute allein mit Berenike zu Abend essen. Er will

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