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Der jüdische Krieg.

Der jüdische Krieg.

Titel: Der jüdische Krieg. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Bevölkerung, sondern schicken unverhältnismäßig große Beträge nach Jerusalem für den Tempel und für religiöse Zwecke. Es ist kein Wunder, daß es bei den Wahlen immer wieder zu blutigen Zusammenstößen kommt. Mit Erbitterung denken die Griechen und Römer Cäsareas daran, daß sie, als die Stadt unter Herodes gegründet wurde, die ersten Einwohner stellten, daß sie den Hafen bauten, von dessen Erträgnissen die Stadt lebt. Schließlich auch residiert der römische Gouverneur in Cäsarea, und die Vergewaltigung der Griechen und Römer durch die Juden wirkt in der offiziellen Hauptstadt der Provinz doppelt unerträglich. Man hat wirklich auf die Empfindlichkeit der Juden genügend Rücksicht genommen, indem man ihnen in Jerusalem absolute Autonomie konzediert hat. Es ist nicht angängig, daß man diesem nie zufriedenen Volk noch weiter entgegenkommt. Die Geschichte Cäsareas, die Herkunft und die Religion des Großteils der Bevölkerung, ihr Stamm und ihre Kraft sind nichtjüdisch. Die Stadt Cäsarea, auf der die Ruhe und Sicherheit der ganzen Provinz steht, wird es nicht begreifen, wenn man dem loyalsten, reichstreuesten Teil ihrer Einwohnerschaft auf die Dauer sein wohlverdientes Wahlrecht vorenthält.
      Der Minister Philipp Talaß hat in seinem gescheiten und hinterhältigen Gutachten die Argumente der Juden keineswegs verschwiegen. Er hat darauf hingewiesen, daß im Fall einer Änderung des Wahlstatuts die griechisch-römische Bevölkerung Verfügungsrecht über die gesamten jüdischen Steuern der Stadt erhielte, was praktisch einer weitgehenden Enteignung der jüdischen Kapitalisten gleichkäme. Aber sehr geschickt bewies er, was das für ein kleines Übel sei, gemessen an der ungeheuren Ungerechtigkeit, daß man die offizielle Hauptstadt einer für die gesamte Orientpolitik so wichtigen Provinz wie Judäa faktisch durch das bestehende Wahlrecht vom Willen einer kleinen Anzahl reicher Juden abhängig mache.
      Er las nochmals. Überprüfte sorgfältig das Manuskript: seine Argumente waren durchschlagend. Er war fest entschlossen, lächelte. Ja, er wird das Kleinere, die drei Zwangsarbeiter, preisgeben, um den Juden dafür das Große zu entreißen, die schöne Hafenstadt Cäsarea.
      Er rief Dienerschaft herbei, schimpfte. Ließ die Kohlenbecken hinausbringen, die Polster, die Kissen. Was fiel den Dummköpfen ein, wollten sie ihn in Hitze ersticken? Er lief auf seinen dürren Beinen hin und her, seine Knochenhände belebten sich. Er verlangte dringlich für den andern Morgen eine Audienz beim Kaiser. Er sah jetzt seinen Weg, es konnte gar nicht mißglücken.
      Denn er hatte keine Eile, er konnte seine Rache auch kalt genießen. Es waren einige Jahrzehnte vergangen, seitdem der jüdische Dolmetsch Theodor Zachäus gelächelt hatte. Nablion, nun gerade und für immer: Nablion. Er kann warten. Ist das Edikt, das die Juden in Cäsarea aus ihrer angemaßten Machtstellung hinauswirft, erst unterzeichnet, dann braucht es keineswegs sogleich verkündet zu werden. Es mag dann ruhig noch Monate oder selbst ein Jahr liegenbleiben, bis man über den Beginn des großen Alexanderzuges klarsieht.
      Ja, in dieser Form wird er dem Kaiser morgen die Regelung der Sache Cäsarea vorschlagen. Er ist sicher, in dieser Form wird er sie durchdrücken. Er lächelt. Er diktiert noch vor dem Abendessen die Antwort auf die Anfrage des Ministeriums für Bitten und Beschwerden, betreffend das Gutachten an das Kabinett der Kaiserin über die Amnestierung von drei jüdischen Zwangsarbeitern in der Ziegelei von Tibur. Der dicke Junius Thrax wird sich wundern, wenn er sieht, daß der Minister Talaß gegen die Freilassung der drei nichts, aber auch gar nichts einzuwenden hat.
      Beim Abendessen nehmen die Gäste des Ministers nachdenklich wahr, wie geradezu aufgeräumt der alte, verdrießliche Herr sein kann.

    Dem Demetrius Liban gefiel Josef immer besser. Der Schauspieler war nicht mehr ganz jung, sein Leben und seine Kunst kosteten ihn viel Kraft, es war ihm, als könne er sich an der Heftigkeit dieses Jünglings aus Jerusalem neu entzünden. War nicht auch Josef der Anlaß gewesen, daß er endlich seine große und gefährliche Idee, die Darstellung des Juden Apella, ans Licht ließ? Er zog den Josef immer häufiger in sein Haus. Der legte seine Provinzmanieren ab, erlernte mit hellem Verstand die rasche, wendige Lebensklugheit der Hauptstadt, wurde weltläufig. Den vielen Literaten, die er durch den Schauspieler

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