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Der jüdische Krieg.

Der jüdische Krieg.

Titel: Der jüdische Krieg. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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schläfrig vor sich hin sah. Sie waren so bestürzt, daß sie einander und ihren Streit vergaßen. »Das ist der schlimmste Schlag gegen Judäa seit mehr als hundert Jahren«, sagte Josef. »Ich fürchte, wegen dieses Edikts wird noch manches Mannes Blut fließen«, sagte Justus. Sie schwiegen, sie tranken. »Sehen Sie zu, Doktor Josef«, sagte Regin, »daß Ihre Juden vernünftig bleiben.« – »Hier in Rom läßt sich das leicht raten«, sagte Josef, und seine Stimme war voll ehrlicher Bitterkeit. Er saß zusammengeduckt, müde, wie ausgeronnen. Die Mitteilung dieses widerwärtigen, fetten Mannes füllte ihn so mit Trauer, daß sein Herz nicht einmal mehr Raum hatte für das erniedrigende Gefühl, wie lächerlich er und seine Sendung jetzt war. Natürlich, sein Nebenbuhler hatte recht gehabt, er hatte alles vorausgesehen, und was er, Josef, sich zusammengereimt hatte, war Dunst gewesen, und sein Erfolg leeres Stroh.
      Claudius Regin sprach. »Ich werde übrigens jetzt gerade«, sagte er, »bevor das Edikt bekannt ist, Ihr Memorandum veröffentlichen, Doktor Justus. Sie müssen diese Denkschrift hören«, wandte er sich ungewohnt eifrig an Josef, »sie ist ein kleines Meisterwerk.« Und er bat Justus, ein Kapitel vorzulesen. Josef, in all seiner Bedrücktheit, merkte auf, war gefesselt. Ja, gegen diese hellen, guten Sätze konnte sein armseliges, pathetisches Gerede nicht aufkommen.
      Er gab es auf. Er verzichtete. Er beschloß, nach Jerusalem zurückzukehren, eine bescheidene Stellung im Dienst des Tempels anzunehmen. Er schlief schlecht in dieser Nacht, und auch den andern Tag ging er bedrückt herum. Er aß wenig und ohne Genuß, er besuchte nicht das Mädchen Lucilla, mit dem er sich für diesen Tag verabredet hatte. Er wünschte, er wäre nie nach Rom gekommen, sondern säße noch in Jerusalem, nichts wissend von den üblen und bedrohlichen Dingen, die hier gegen Judäa gesponnen wurden. Er kannte gut die Stadt Cäsarea, ihren Hafen, ihre großen Speicherviertel, ihre Reedereien, Synagogen, Geschäftsläden, Bordelle. Selbst die Bauten, die die Römer dort aufgeführt hatten, so verpönt sie waren, die Residenz des Gouverneurs, die Kolossalstatuen der Göttin Rom und des ersten Kaisers, mehrten den Ruhm Judäas, solange die Stadt von Juden verwaltet wurde. Fiel sie aber der Verwaltung durch die Griechen und Römer anheim, wurde die Hauptstadt römisch, dann war alles ins Gegenteil gekehrt, dann waren die Juden ganz Judäas, auch Jerusalems, nur mehr Geduldete in ihrem eigenen Land. Josef, wenn er dies dachte, fühlte den Boden unter seinen Füßen weggleiten. Trauer und Zorn füllte ihn vom Herzen bis an die Poren seiner Haut, daß er beinahe am Leibe krank wurde.

    Als aber Demetrius Liban ihm feierlich entschlossen mitteilte, er werde also jetzt den Juden Apella spielen, auf daß die drei Märtyrer von Tibur erlöst würden, strahlte Josef wieder im ersten unverdunkelten Glanz seines Erfolgs. Die römischen Juden nahmen den Entschluß des Schauspielers ruhiger hin, als man nach ihrer ersten Erregung hätte erwarten sollen; denn es war Winter, und die Aufführung sollte vorläufig nicht öffentlich, sondern in dem kleinen Privattheater in den kaiserlichen Gärten stattfinden. Es blieb eigentlich ein einziger, der schimpfte, der uralte Aaron; der freilich mummelte unentwegt Verwünschungen gegen das gottlose Vorhaben des Schauspielers und gegen die ganze frevelhafte neumodische Generation.
      »Der Jude Apella« war das erste volkstümliche Singspiel, das im kaiserlichen Privattheater aufgeführt wurde. Das Theater faßte nur etwa tausend Menschen, die große Gesellschaft Roms beneidete diejenigen, die zu dieser Premiere Einladungen erhielten. Alle Minister waren da, der dürre Talaß, der dicke, wohlwollende Junius Thrax, Minister für Bitten und Beschwerden, auch der Gardekommandant Tigellin. Dann die neugierige, lebensfrohe Äbtissin der Vestalinnen. Claudius Regin hatte man selbstverständlich nicht vergessen. Von Juden waren nicht viele da: der elegante Julian Alf, der Präsident der Veliagemeinde, und sein Sohn; mit Mühe hatte Josef auch dem Cajus Barzaarone und dem Mädchen Irene eine Einladung verschafft.
      Der Vorhang dreht sich in die Versenkung. Auf der Bühne steht der Jude Apella, ein Mann in mittleren Jahren mit einem langen, spitzen Bart, der sich zu verfärben beginnt. Er lebt in einer Landstadt in Judäa, sein Haus ist klein, er, seine Frau, seine vielen Kinder wohnen in einem

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