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Der jüdische Krieg.

Der jüdische Krieg.

Titel: Der jüdische Krieg. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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mit Rolle und Riemen und Kiste und Leuchter und Kindern und seinem unsichtbaren Gott, und diesmal kommt er nach Rom. Jetzt aber wird das Spiel ganz gewagt und frech. Die Clowns trauen sich nicht, ihn leibhaft zu bedrängen, sie halten sich am Rand der Bühne. Immerhin erklettern sie, wie die Affen hüpfend, das Dach seines Hauses, sie dringen auch ins Innere, sie schauen nach, was in der Rolle ist und was in der Kochkiste. Sie parodieren ihn, wie er sich zum Gebet hinstellt, nach Osten diesmal, wo Jerusalem liegt und der Tempel. Die elf führenden Clowns tragen sehr kühne Masken jetzt, Porträtmasken, man erkennt ohne viel Mühe den Minister Talaß, den großen Juristen des Senats Cassius Longin, den Philosophen Seneca und andere sehr hochmögende Judenfeinde. Doch diesmal können sie nicht an gegen den Juden Apella, er wird geschützt von dem Kaiser und der Kaiserin. Allein sie spähen, bis er sich eine Blöße gibt. Und siehe, er gibt sich eine Blöße. Er heiratet eine Eingeborene, eine Freigelassene. Da stecken sie sich hinter diese seine Frau und gießen ihr all ihren Hohn ins Herz. Einige außerordentlich bösartige Couplets werden gesungen über den Beschnittenen, seinen Knoblauch, seinen Gestank, den Atem seines Fastens, seine Kochkiste. Es kommt dahin, daß seine Frau ihn in Gegenwart seiner Kinder verhöhnt, weil er beschnitten ist. Da jagt er sie fort und bleibt allein mit seinen Kindern und mit seinem unsichtbaren Gott, im Schutz des römischen Kaisers. Resigniert und in wilder Sehnsucht schaukelnd singt er sein altes Lied: An den Wassern Babels saßen wir und weinten; fernher, ganz leise parodieren ihn die elf Clowns.
      Die Zuschauer sehen sich an und wissen nicht recht, ob sie heitere oder traurige Gesichter machen sollen. Alle schielen nach der kaiserlichen Loge. Die Kaiserin sagt vernehmlich mit ihrer hellen Kinderstimme, so daß man es weithin hören kann, kaum ein zweites Stück aus der zeitgenössischen Produktion habe sie so interessiert wie dieses. Sie macht dem Senator Marull Komplimente, der mit falscher Bescheidenheit die Urheberschaft der Texte ablehnt. Der Kaiser ist zurückhaltend; sein Literaturlehrer Seneca hat ihm so viel von Tradition gepredigt, daß er vorläufig mit der neuartigen Technik dieses Spiels nichts Rechtes anfangen kann. Der Kaiser ist jung, blond, sein intelligentes Gesicht ist leicht aufgedunsen; seine Augen mustern beschäftigt, etwas abwesend die Zuschauer, die das Theater nicht verlassen dürfen, bevor er aufbricht. Die jüdischen Herren im Zuschauerraum stehen betreten umher. Claudius Regin bindet ächzend seinen Schnürriemen und quäkt, wenn man ihn fragt, Unverständliches. Josef ist hin- und hergeworfen zwischen Ärger und Anerkennung. Die grelle Lebenswahrheit, mit der dieser Jude Apella auf der Bühne stand, hat seinen Augen weh getan. Daß jemand alles Lächerliche dieses Juden so rücksichtslos seinem ernsthaften Schicksal beimischt, erfüllt ihn mit ebensoviel Unbehagen wie Bewunderung. Eigentlich geht es den meisten so. Sie sind beschäftigt und unzufrieden, die jüdischen Herren geradezu bekümmert. Wirklich vergnügt ist nur der Minister Talaß.
      Der Kaiser befiehlt ihn und den Justizminister Junius Thrax in die Loge und sagt nachdenklich, er sei gespannt darauf, wie die Juden eine gewisse Entscheidung aufnehmen werden. Die Kaiserin, unmittelbar bevor sie aufbricht, teilt Josef mit, noch am andern Tag werde die Freilassung seiner drei Unschuldigen erfolgen.

    Am andern Tag, gleich nach Sonnenaufgang, wurden die drei Märtyrer entlassen. Im Villenort Tibur, im Landhaus des Julian Alf, des Präsidenten der Veliagemeinde, wurden sie unter der Aufsicht von Ärzten gebadet, gespeist, mit kostbaren Kleidern versehen. Dann setzte man sie in den schönen Reisewagen des Julian Alf. Überall am Wege, der von Tibur nach Rom führte, standen Gruppen von Juden, und wenn der Wagen vorüberkam, Läufer voran, großer Troß hinterher, sprachen sie den Segensspruch, der vorgeschrieben ist nach der Errettung aus großer Gefahr, und sie riefen den drei entgegen: »Gesegnet, die da kommen. Friede mit euch, meine Doktoren und Herren.«
      Am Tibur-Tor aber war ungeheures Gedränge. Hier erwarteten, inmitten des von Polizei und Militär abgesperrten Raums, die Präsidenten der fünf jüdischen Gemeinden die Märtyrer, dann der Staatssekretär Polyb vom Ministerium für Bitten und Beschwerden, ein Zeremonienmeister der Kaiserin, vor allem aber der Schriftsteller Josef

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