Der jüdische Krieg.
zwischen dem ringsum geschichteten Baumaterial, dicklich, mit unordentlich rasiertem, fleischigem Kopf, schwere, schläfrige Augen unter einer vorgebauten Stirn. Er hörte nur halb hin auf die Ausführungen des Architekten, hob ein Stück Marmor hoch, drehte es in seinen fetten Fingern, brachte es ganz nah an seine Augen, roch daran, warf es wieder weg, nahm einem Maurer sein Werkzeug aus der Hand, betastete es. Setzte sich schließlich auf einen Block, schnürte ächzend seine aufgegangenen Schuhe neu, die Hilfe eines herbeigeeilten Lakaien unwillig abweisend. Ja, der Führer kannte auch ihn; es war Claudius Regin. »Der Verleger?« fragte Josef. Möglich, daß er auch Bücher verkaufte, aber davon wußte der Führer nichts. Der kannte ihn als Hofjuwelier des Kaisers. Ein sehr einflußreicher Herr jedenfalls, ein großer Finanzmann, trotzdem er sich geradezu armselig in seiner Kleidung gab und so wenig Gewicht auf Zahl und Prunk seines Gefolges legte. Sehr merkwürdig; denn er war noch als Leibeigener geboren, Sohn eines sizilischen Vaters und einer jüdischen Mutter, und diese heraufgekommenen Herren beliebten sonst eine glänzende Aufmachung. Eine fabelhafte Karriere hatte dieser Claudius Regin hinter sich, das war gewiß, mit seinen zweiundvierzig Jahren. Es gab unter der unternehmungslustigen Regierung des jetzigen Kaisers viele Geschäfte, dicke Geschäfte, und Claudius Regin hatte seine Hand in allen. Ein großer Teil der ägyptischen und der libyschen Getreideflotte gehörte ihm, seine Silos in Puteoli und Ostia waren Sehenswürdigkeiten.
Der Senator Marull und der Hofjuwelier Claudius Regin unterhielten sich laut und ungeniert, so daß die erste Reihe der Neugierigen, in der Josef stand, jedes Wort hören konnte. Josef erwartete, die beiden Männer, deren Namen in den literarischen Zirkeln der ganzen Welt mit Achtung genannt wurden, denn Claudius Regin galt als der erste Verleger Roms, würden bedeutsame ästhetische Anschauungen austauschen über den Neubau der Rennbahn. Er lauschte gespannt. Er konnte dem hurtigen Latein der beiden nicht folgen, aber so viel merkte er, es ging nicht um Ästhetisches oder Weltanschauliches: man sprach von Preisen, Kursen, Geschäften. Deutlich hörte er die helle, nasale Stimme des Senators, der im Ton vergnügter Nekkerei aus seiner Sänfte her fragte, so laut, daß man es weithin vernahm: »Verdienen Sie eigentlich auch an der Großen Rennbahn, Claudius Regin?« Der Juwelier, er saß auf einem Steinblock in der Sonne, die Hände bequem auf den dicken Schenkeln, erwiderte, unbekümmert auch er: »Leider nein, Senator Marull. Ich dachte, bei den Lieferungen für die Rennbahn habe unser Architekt Sie in das Geschäft genommen.« Josef konnte noch mehr hören von dem Gespräch der beiden Herren, aber mangelnde Sprach- und Fachkenntnis hinderte ihn am Verstehen. Der Führer, selber nicht recht informiert, suchte zu helfen. Claudius Regin hatte offenbar ebenso wie der Senator Marull rechtzeitig in den wenig bebauten Vierteln der Außenbezirke riesige Terrains billig erworben; jetzt, nach dem großen Brand, schuf der Kaiser in der Innenstadt Raum für seine öffentlichen Bauten und drängte die Miethäuser in die Außenbezirke ab; man konnte gar nicht zu Ende rechnen, welchen Wert die Außenterrains gewonnen hatten.
»Ja, ist es denn nicht verboten, daß Mitglieder des Senats Geschäfte machen?« fragte plötzlich Josef den Führer. Der Führer schaute seinen Fremden verblüfft an. Einige ringsum hatten gehört, sie lachten, andere lachten mit, man gab die Frage des Mannes aus der Provinz weiter, und plötzlich war da ein schallendes Gelächter, sich über die ganze riesige Rennbahn fortpflanzend.
Der Senator Marull fragte nach dem Grund. Ein kleiner Raum wurde frei um Josef, unvermittelt stand er Aug in Aug mit den beiden großen Herren. »Paßt Ihnen was nicht, junger Mann?« fragte aggressiv, doch nicht ohne Spaß der Dicke; er saß auf seinem Steinblock, die Unterarme auf den massigen Schenkeln wie die Statue eines ägyptischen Königs. Eine helle Sonne schien nicht zu heiß, leichter Wind ging, ringsum war gute Laune. Das zahlreiche Gefolge hörte vergnügt der Unterhaltung der beiden Herren mit dem Mann aus der Provinz zu.
Josef stand bescheiden, keineswegs verlegen. »Ich bin erst seit drei Tagen in Rom«, sagte er in etwas mühsamem Griechisch. »Ist es ungewöhnlich dumm, wenn ich mich in den Mietverhältnissen dieser großen Stadt noch nicht
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