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Der jüdische Krieg.

Der jüdische Krieg.

Titel: Der jüdische Krieg. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Sie sehen mit Unbehagen, wie in Jerusalem die nationale, Rom feindliche Partei der »Rächer Israels« zu immer größerem Einfluß kommt. Sie denken gar nicht daran, ihre angenehme Lage zu gefährden, indem sie sich einmengen in die ständigen Reibereien der Jerusalemer Herren mit Rom und der kaiserlichen Verwaltung. Nein, das Wesentliche wird Josef selber schaffen müssen.
      Vor ihm schichtete es sich, Stein und Holz, Ziegel, Säulen, Marmor jeder Farbe. Das Bauwerk stieg empor, sichtbar fast. Wenn er nach einer halben Stunde oder einer Stunde hier weggeht, dann wird es gewachsen sein, nicht um viel, um ein Tausendstel vielleicht seines bestimmten Maßes, aber eben das genaue für diese Stunde bestimmte Maß wird erreicht sein. Aber auch er hat etwas erreicht in dieser Zeit. Sein Drang nach vorwärts ist heißer geworden, brennender, unwiderstehlich. Jeder Schlag, jedes Hämmern und Sägen, das von den Bauleuten herdringt, schlägt, hämmert, sägt an ihm, während er scheinbar gelassen, ein Bummler wie die vielen andern, in der Sonne hockt. Er wird viel zu schaffen haben, bis er seine drei Unschuldigen aus dem Kerker herausholt, aber er wird es schaffen.
      Schon kommt er sich nicht mehr so klein und arm vor wie an seinem ersten Tag. Sein Respekt vor den fleischigen, zugesperrten Gesichtern der Leute hier hat sich gemindert. Er hat gesehen, diese Römer sind kleiner von Wuchs als er. Er geht schlank und groß unter ihnen herum, und die Frauen in Rom drehen den Kopf nicht weniger nach ihm als die in Jerusalem und Cäsarea. Irene, die Tochter des Gemeindepräsidenten Cajus, ist, ihren Vater störend, ins Zimmer zurückgekehrt, sicher nur, weil er da war. Er hat einen guten Körper, ein rasches, wendiges Gehirn. Mit einundzwanzig Jahren hat er sich den großen Doktortitel der Tempelhochschule in Jerusalem geholt, er beherrscht das ganze, verzweigte Gebiet der juristischen und theologischen Schriftdeutung. Und hat er nicht sogar zwei Jahre als Eremit gelebt, in der Wüste, bei dem Essäer Banus, um sich hier die reine Schau anzueignen, die Versenkung in sich, die Intuition? Nichts fehlt ihm als die unterste Sprosse der Leiter, der eine günstige Augenblick. Aber er wird kommen, er muß kommen.
      Der junge Literat und Staatsmann Josef Ben Matthias kniff die Lippen zusammen. Warten Sie, meine Herren vom Großen Rat, meine hochmütigen Herren von der Quadernhalle des Tempels. Sie haben mich geduckt, Sie haben mich unten gehalten. Wenn mein Vater zu den Spesen, die mir Ihr Tempelfonds bewilligte, nicht noch einiges zugegeben hätte, dann hätte ich nicht hierher fahren können. Aber jetzt sitze ich hier in Rom als Ihr Delegierter. Und, seien Sie überzeugt, ich werde das ausnützen. Ich werde es Ihnen zeigen, meine Doktoren und Herren.
      Die Leute im Innern der Großen Rennbahn riefen einander zu, standen auf, schauten alle nach einer Richtung. Vom Palatin kam es glitzernd herunter, ein großer Trupp, Vorläufer, Pagen, Gefolge, Sänften. Auch Josef erhob sich, wollte sehen. Gleich war auch der Führer von vorhin wieder an seiner Seite, und diesmal wies ihn Josef nicht zurück. Es war nicht der Kaiser, nicht einmal der Gardekommandant, es war ein Senator oder sonst ein großer Herr, der sich von dem Architekten Celer durch den Neubau der Rennbahn führen ließ.
      Neugierige drängten näher, von Polizei und der Dienerschaft des Architekten und seiner Begleiter zurückgehalten. Es gelang dem geschickten Führer, mit Josef in die erste Reihe vorzustoßen. Ja, wie er schon an der Livree der Pagen, Läufer und Lakaien erkannt hatte, es war der Senator Marull, der sich die Rennbahn zeigen ließ. Ungefähr wußte selbst Josef, wer das war; denn wie in allen Provinzen, so erzählte man sich auch in Jerusalem wilde Geschichten über diesen Marull als über einen der ersten Lebemänner des Hofs, der den Kaiser in allen Fragen raffinierten Genusses unterwies. Übrigens sollten auch gewisse volkstümliche Possen, die frechen Revuen zum Beispiel, die der große Komiker Demetrius Liban aufführte, ihn zum Autor haben. Gierig beschaute Josef den vielgenannten Herrn, der lässig in seinem Tragstuhl den Erklärungen des Architekten zuhörte, manchmal den blickschärfenden Smaragd seines Lorgnons zum Auge führend.
      Ein anderer Herr fiel Josef auf, den man mit der größten Achtung behandelte. Aber war das denn überhaupt ein Herr? Er war aus seiner Sänfte herausgestiegen; schlecht und lotterig angezogen, schlurfte er

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