Der jüdische Krieg.
dieser Neugier merken, sondern begann ein abgewogenes Gespräch über Politik. Es sei vielleicht gut, wenn auch die jungen Leute einmal ans Steuer kämen. Nachdem die »Rächer« diesen Sieg errungen hätten, müßten sich die regierenden Herren in der Quadernhalle mit ihnen einigen. Er sprach lebhaft, aber gleichwohl würdig und bestimmt.
Josef hörte ihn aufmerksam an. Zu erfahren, wie Nachum
Ben Nachum sich nach dem großen Sieg bei Beth Horon zu den Dingen stellte, war interessant. Was er sagte, war wohl die Meinung der meisten Bürger Jerusalems. Noch vor acht Tagen waren sie alle gegen die »Rächer Israels« gewesen; jetzt hatten sie das vergessen, jetzt waren sie überzeugt, man hätte die Makkabi-Leute schon lange an die Macht lassen sollen.
Doktor Nittai kam aus dem Haus, ein älterer, mürrischer Herr, mit dem Josef von Mutterseite her weitläufig verwandt war. Doktor Nittai war auch mit dem Glasfabrikanten verwandt, und der hatte ihn ins Geschäft genommen. Doktor Nittai verstand zwar nichts vom Geschäft; aber es erhöhte das Ansehen einer Firma, wenn sie einen Gelehrten aufnahm und ihn an ihren Einkünften teilnehmen ließ, »ihm in den Mund gab«, wie man fromm und ein wenig verächtlich sagte. So lebte also der Doktor und Herr Nittai wortkarg und verdrießlich im Hause des Glasbläsers. Er hielt es für eine große Wohltat, daß er dem Fabrikanten erlaubte, die Firma unter dem Namen Doktor Nittai und Nachum zu führen, und daß er seinen Lebensunterhalt von ihm annahm. Wenn er nicht auf der Tempeluniversität diskutierte, saß er schaukelnd vor dem Haus in der Sonne, eine Rolle der Heiligen Schrift vor sich, im Singsang Gründe und Gegengründe der Ausdeutung abwägend. Niemand durfte ihn dann stören; denn wer das Studium der Schrift unterbricht, um zu sagen: Siehe, wie schön ist dieser Baum, der ist der Ausrottung schuldig.
Diesmal aber war er nicht mit dem Studium beschäftigt, und so fragte ihn Nachum, ob nicht auch er dafür sei, daß man die »Rächer Israels« in die Regierung aufnehme. Doktor Nittai runzelte die Stirn. »Machet die Lehre nicht zu einem Spaten«, sagte er unwirsch, »um damit zu graben. Die Schrift ist nicht dazu da, Politik aus ihr herauszulesen.«
Es war viel Betrieb in Nachums Laden und Fabrik. Die römische Beute spülte Geld in die Stadt, und man kaufte gern Nachums weitgerühmte Gläser. Nachum begrüßte würdig die Käufer, bot ihnen schneegekühlte Getränke an, ein wenig Konfekt. Ein großer, herrlicher Sieg, nicht wahr? Die Geschäfte gehen ausgezeichnet, Gott sei gedankt. Wenn das so bleibt, wird man sich bald Magazine anlegen können, groß wie die Magazine der Brüder Chanan unter den Zedern des Ölbergs. Wer sich von seiner Hände Arbeit nährt, steht höher als der Gottesfürchtige, zitierte er, nicht ganz passend. Aber er erreichte seinen Zweck: Doktor Nittai ärgerte sich.
Er hätte manches Gegenzitat gewußt, aber er schluckte es hinunter; denn wenn er sich erregte, dann machte sich sein babylonischer Akzent bemerkbar, und Josef pflegte ihn wegen dieses Akzents in aller Ehrfurcht aufzuziehen. »Ihr Babylonier habt den Tempel zerstört«, pflegte er zu sagen, und Doktor Nittai vertrug keine Neckerei. Er nahm nicht am Gespräch teil, er studierte auch nicht, er hockte in der angenehmen Sonne und träumte vor sich hin. Oftmals jetzt, seitdem er von seiner babylonischen Heimatstadt Nehardea nach Jerusalem gezogen war, war die Achte Priesterreihe, der er angehörte, die Reihe Abija, zum Tempeldienst ausgelost worden. Oftmals hatte er es erlost, Teile des Opfertiers zum Altar zu bringen. Aber sein höchster Traum, den Weihrauch aus der goldenen Schale auf den Altar zu schütten, war nie in Erfüllung gegangen. Immer wenn die Magrepha ertönte, die hunderttonige Schaufelpfeife, die anzeigte, daß jetzt das Räucheropfer dargebracht wurde, faßte ihn tiefer Neid auf den Priester, dem dieser Segen zugefallen war. Er hatte alle Voraussetzungen, er hatte keinen von den hundertsiebenundvierzig Leibesfehlern, die den Priester zum Dienst untauglich machten. Allein er war nicht mehr jung. Wird Jahve es fügen, daß er sich das Räucheropfer noch erlost?
Josef hatte mittlerweile dem Glasbläser seinen Entschluß mitgeteilt, die Terrains zu behalten. Nachum nahm die Mitteilung ohne das kleinste Zeichen von Ärger auf. »Möge Ihr Entschluß uns beiden zum Glück sein, mein Doktor und Herr«, sagte er höflich.
Der junge Ephraim kam, der
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