Der jüdische Krieg.
Dankgottesdienst anberaumen müssen, und nun zelebrierte man das große Hallel. Die Ereignisse der letzten Tage hatten Fremde auf allen Straßen in die Stadt gespült, überwältigt starrten sie auf den strengen Prunk. Wie Meeresbrandung brauste es durch die riesigen weiß und goldenen Hallen: Dies ist der Tag des Herrn. Lasset uns jauchzen und fröhlich sein. Und immer wieder, durch die hundertdreiundzwanzig vorgeschriebenen Variationen: Lobet den Herrn!
Josef stand ganz vorn, in seiner weißen Amtstracht, den blauen Gürtel mit den eingewirkten Blumen um die Taille. Hingerissen wie die andern warf er im vorgeschriebenen Takt den Oberkörper. Niemand spürte tiefer als er, wie wunderbar dieser Sieg war, den ungeschulte Freischärler über eine römische Legion errungen hatten, über dieses Meisterwerk an Technik und Präzision, das, wiewohl bestehend aus vielen Tausenden, sich fortbewegte wie ein einzelner, gelenkt von einem Gehirn. Beth Horon, Josua, Wunder. Es war eine herrliche Bestätigung seines Gefühls, daß für die Bedrängnis des heutigen Jerusalem Vernunft allein nicht genügte. Die ganz großen Taten sind nicht mit Vernunft gemacht worden, sie kommen unmittelbar aus göttlicher Eingebung. Die Tausende vor den Stufen sahen ergriffen, wie inbrünstig dieser junge, glühende Priester die Dankeshymnen mitsang.
Aber in aller frommen Begeisterung konnte er nicht verhindern, daß seine Gedanken sich damit beschäftigten, was für Folgen der unvorhergesehene Sieg der Makkabi-Leute für ihn persönlich haben werde.
Jerusalem hatte nicht viel Zeit gehabt, ihn wegen seines Erfolgs in der Sache der drei Unschuldigen zu feiern. Kaum eine Woche nach seiner Rückkehr waren die Unruhen losgebrochen. Immerhin war er durch seinen römischen Erfolg populär geworden, die gemäßigte Regierung konnte den jungen Aristokraten, trotzdem er so oft in der Blauen Halle der »Rächer Israels« gesehen wurde, nicht länger brüskieren: man gab ihm Amt und Titel eines Geheimsekretärs im Tempeldienst. Viel zuwenig. Jetzt nach dem großen Sieg sind seine Chancen mächtig gestiegen. Die Gewalten müssen neu verteilt werden. Die Volksstimmung zwingt die Regierung, auch einige von den Makkabi-Leuten an die Macht zu lassen. Morgen oder übermorgen schon soll eine Versammlung der drei gesetzgebenden Körperschaften stattfinden. Es darf nicht sein, daß man bei dieser Verteilung an ihm vorübergeht.
Lobet den Herrn! sang es, Lobet den Herrn! Er konnte es verstehen, daß die Regierung bisher mit allen Mitteln den Krieg mit Rom zu vermeiden gesucht hat. Selbst gestern noch, nach dem großen Sieg, flüchteten einige ganz kluge Leute in größter Eile aus der Stadt, dem Generalgouverneur Cestius Gall nach, ihm trotz seiner Niederlage zu versichern, daß sie nichts zu tun hätten mit dem heimtückischen Überfall der Meuterer auf die Armee des Kaisers. Der alte, reiche Chanan, der Besitzer der großen Warenmagazine auf dem Ölberg, hat sich aus der Stadt verdrückt, der Staatssekretär Sebulon hat sein Haus stehenlassen und ist fort, die Priester Zefanja und Herodes sind auf die andere Seite des Jordan geflohen in das Gebiet des Königs Agrippa. Auch viele Essäer sind gleich nach dem Sieg über Cestius weggezogen, und jene Sektierer, die sich Christen nennen, haben sich allesamt davongemacht. Josef hat wenig übrig für die saftlose Frommheit der einen und für die kahle Klugheit der andern.
Die heilige Handlung war zu Ende. Josef schob sich durch die Massen, die den riesigen Tempelbezirk füllten. Die meisten trugen Binden mit dem Abzeichen der »Rächer Israels«, dem Wort Makkabi. In dicken Haufen stand man um die erbeuteten Kriegsmaschinen, betastete sie, die mauerbrechenden Sturmböcke, die leichten Katapulte und die schweren Ballisten, die ihre mächtigen Geschosse weithin schleudern konnten. Überall ringsum in der angenehmen Novembersonne war fröhliches, gutgelauntes Gefeilsche um Stücke der römischen Beute, Kleider, Waffen, Zelte, Pferde, Maultiere, Hausrat, Schmuck, Andenken jeder Art, Rutenbündel, Beile der Liktoren. Neugierig, schadenfroh zeigte man sich das Riemenzeug, wie es jeder römische Soldat zum Binden der Gefangenen bei sich trug. Die Bankiers des Tempels hatten viel zu tun mit dem Einwechseln der fremden Münzen, die man den Erschlagenen abgenommen hatte.
Josef gerät an eine erregte, heftig diskutierende Gruppe: Soldaten, Bürger, Priester. Es geht um den Goldenen Adler mit dem
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