Der jüdische Krieg.
Kaiserporträt, das Feldzeichen der Zwölften Legion, das man erbeutet hat. Die Offiziere der Freischärler wollten, daß der Adler an den Außenmauern des Tempels angebracht werde, neben den Trophäen des Juda Makkabi und des Herodes, an sichtbarster Stelle, ein Wahrzeichen für Stadt und Land. Aber die »Wahrhaft Schriftgläubigen« wollten das nicht dulden; Tierfiguren, unter welchem Vorwand immer, waren im Gesetz verboten. Man schlug einen Mittelweg vor; der Adler sollte in den Tempelschatz gebracht werden zur Verfügung des Doktor Eleasar, des Chefs der Tempelverwaltung, der doch selber zu den »Rächern« gehörte. Nein, das gaben die Offiziere nicht zu. Die Leute, die den Adler transportierten, standen zögernd; auch ihnen wäre es lieber gewesen, die Trophäe wäre nicht im Tempelschatz verschwunden. Sie hatten die dicke Stange mit dem Adler niedergelegt. Das gefürchtete Zeichen der Armee sah in der Nähe plump und ungefüg aus, auch das Bild des Kaisers in dem Medaillon darunter war roh und häßlich, keineswegs furchterregend. Heftig stritten die Männer hin und her. Da kam der Geist über Josef, seine junge Stimme drang voll, Gehorsam fordernd, durch den Wirrwarr. Weder soll der Adler an die Mauer noch in den Tempelschatz. Zertrümmert soll er werden, in Stücke gehauen. Verschwinden soll er. Das war ein Vorschlag nach dem Herzen aller. Die Ausführung war freilich nicht einfach. Der Adler war solid, es dauerte eine gute Stunde, bis er ganz zertrümmert war und jeder mit seinem Stückchen Gold abziehen konnte. Josef, der Held der drei Unschuldigen von Cäsarea, hatte sich neue Sympathien erworben.
Josef ist müde, aber er kann jetzt nicht nach Hause gehen, es treibt ihn weiter durch den Tempelbezirk. Wer ist es, der da kommt und vor dem sich die Haufen willig teilen? Ein junger Offizier, nicht groß, über dem kurzen, gepflegten Bart steht eine starke, gerade Nase und enge, braune Augen. Es ist Simon Bar Giora, der Freischärlerführer aus Galiläa, der Sieger. Vor ihm her wird ein makelloses, schneeweißes Tier geführt, ein Dankopfer offenbar. Aber, Josef sieht es mit unbehaglichem Erstaunen, Simon Bar Giora ist in Waffen. Will er in Eisen zum Altar gehen, den Eisen nie berührt hat, nicht während des Baus und niemals später? Das soll er nicht. Josef tritt ihm in den Weg. »Ich heiße Josef Ben Matthias«, sagt er. Der junge Offizier weiß, wer er ist, er begrüßt ihn achtungsvoll, herzlich. »Sie gehen zum Opfer?« fragt Josef. Simon bejaht. Er lächelt, ernst, eine tiefe Zufriedenheit und Zuversicht geht von ihm aus. Allein Josef fragt weiter: »In Waffen?« Simon errötet. »Sie haben recht«, sagt er. Er heißt die Leute mit dem Tier warten, er wird die Waffen ablegen. Aber dann wendet er sich nochmals an Josef. Herzlich, freimütig, daß alle es hören, sagt er: »Sie, Doktor Josef, waren der erste. Als Sie die drei Unschuldigen aus dem Kerker der Römer herausholten, spürte ich, daß das Unmögliche möglich ist. Gott ist mit uns, Doktor Josef.« Er grüßt ihn, die Hand an der Stirn; aus seinen Augen strahlt Frommheit, Kühnheit, Glück.
Josef ging durch die sacht ansteigenden Straßen der Neustadt, durch die Basare der Kleiderhändler, über den Markt der Schmiede, durch die Töpferstraße. Wieder nahm er mit Wohlgefallen wahr, wie sich die Neustadt zu einem Viertel voll Handel, Industrie, Leben entwickelte. Er besaß Terrains hier, die ihm der Glasfabrikant Nachum Ben Nachum gern abgekauft hätte. Er hatte sich schon entschlossen, sie ihm zu überlassen. Jetzt, nach dem großen Sieg, wollte er das nicht mehr. Der Glasbläser Nachum wartet auf Bescheid. Josef wird jetzt hingehen und ihm absagen. Er wird sich hier in der Neustadt selber ein Haus bauen.
Der Glasfabrikant Nachum Ben Nachum hockte vor seiner Werkstatt, auf Polstern, die Beine gekreuzt. Zu seinen Häupten, über dem Eingang, hing aus buntem Glas eine große Traube, das Emblem Israels. Er stand auf, um Josef zu begrüßen, lud ihn ein, zu sitzen. Josef hockte nieder auf die Polster, ein wenig mühevoll, er hatte sich diese Art zu sitzen abgewöhnt.
Nachum Ben Nachum war ein stattlicher, beleibter Herr von etwa fünfzig Jahren. Er hatte die schönen, lebendigen Augen, um derentwillen die Jerusalemer berühmt waren, sein frischfarbiges Gesicht war gerahmt von einem dichten, viereckigen, schwarzen Bart, der nur mit wenigen grauen Haaren gesprenkelt war. Er war neugierig auf Josefs Bescheid, aber er ließ nichts von
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