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Der jüdische Krieg.

Der jüdische Krieg.

Titel: Der jüdische Krieg. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Organisation der Römer? Was zum Beispiel konnte der rührende Ausfall der drei Greise nützen, die sich am 1. November, am Tag vor dem Sturm, allein vor die Mauern begaben, die römische Artillerie in Brand zu stecken? Am hellen Mittag erschienen sie plötzlich vor den römischen Posten, drei uralte Juden mit den Abzeichen der »Rächer Israels«, der Feldbinde, die die Buchstaben Makkabi trug, die Initialen der hebräischen Worte: »Wer ist wie du, o Herr?« Erst glaubte man, sie seien Parlamentäre und hätten eine Botschaft der Belagerten zu überbringen, aber sie waren keine Parlamentäre, vielmehr schossen sie mit ihren zitteri gen Greisenhänden Brandpfeile gegen die Maschinen. Das war offenkundiger Wahnsinn, und die Römer – was sollte man sonst mit den Wahnsinnigen anfangen? – machten sie erstaunt, gutmütig scherzend, fast mitleidig nieder. Es stellte sich noch am gleichen Tage heraus, daß es jene drei Mitglieder des Großen Rates waren, Gadja, Jehuda und Natan, von den Gerichten des Kaisers seinerzeit zu Zwangsarbeit verurteilt, dann in großer Milde freigelassen. Immer wieder hatten die Römer diese Amnestierung als schlagendes Beispiel ihrer eigenen Gutwilligkeit angeführt und hatten daran erweisen wollen, daß nicht römische Härte, sondern jüdische Bockbeinigkeit die Hauptschuld an den entstandenen Unruhen trage. Auch in den Reden der »Unentwegt Rechtlichen« und der »Wahrhaft Schriftgläubigen« spielte die Amnestierung als Beweis für römische Großmut eine wichtige Rolle. Die drei Märtyrer wollten nicht länger in ihrer Stadt umherlaufen als leibhaftes Exempel für die edle Gesinnung des Erzfeindes. Ihr Herz gehörte den »Rächern Israels«. So entschlossen sie sich als fanatische Pädagogen zu dieser beispielhaften, frommen und heroischen Tat.
      Die Führer der Makkabi-Leute freilich wußten sehr gut, daß mit Gesinnung allein wenig auszurichten war gegen die Belagerungsmaschinen der Römer. Mit dem Willen, die Stadt nicht zu übergeben, doch ohne Hoffnung, sie zu halten, sahen sie die Vorbereitungen zu dem letzten Sturm, der am andern Tage erfolgen mußte.
      Er erfolgte nicht. In der Nacht gab Cestius Gall Befehl, die Belagerung abzubrechen, den Rückzug anzutreten. Er sah krank und verstört aus. Was war geschehen? Niemand wußte es. Man bestürmte den Oberst Paulin, den Adjutanten des Cestius Gall. Er zuckte die Schulter. Die Generäle schüttelten die Köpfe. Cestius gab für den überraschenden Befehl keine Gründe, und die Disziplin verbot, zu fragen. Die Armee setzte sich in Bewegung, rückte ab.
      Bestürzt erst, ohne Glauben, dann mit einem Aufatmen, dann mit ungeheurem Jubel sahen die Juden diesen Aufbruch der Belagerungsarmee. Zögernd, immer noch ein taktisches Manöver befürchtend, dann mit wachsender Kraft machten sie sich an die Verfolgung. Es wurde für die Römer ein schwieriger Rückzug. Von Jerusalem her drückten die Aufständischen hart nach. In dem nördlichen Gebiet, das die Römer durchqueren mußten, hatte ein gewisser Simon Bar Giora, ein galiläischer Freischärlerführer, einen erbitterten Kleinkrieg organisiert. Jetzt besetzte dieser Simon Bar Giora nach einem raschen Umgehungsmarsch mit dem Gros seiner Kräfte die Schlucht von Beth Horon. Der Name dieser Schlucht klang lieblich in die Ohren der jüdischen Freischärler. Hier hatte der Herr die Sonne stillstehen lassen, auf daß der General Josua einen Sieg für Israel erfechte; hier hatte Juda der Makkabäer die Griechen triumphal geschlagen. Auch das Manöver Simon Bar Gioras gelang: die Römer erlitten eine Schlappe, wie sie in Asien seit den Partherkriegen keine mehr erlebt hatten. Die Juden hatten noch nicht tausend Tote, die Römer verloren an Toten fünftausendsechshundertachtzig Mann Infanterie und dreihundertachtzig Mann Kavallerie. Unter den Toten war der Gouverneur Gessius Flor. Die gesamte Artillerie, alles sonstige Kriegsmaterial, der Goldene Adler der Legion, dazu die reiche Kriegskasse fiel in die Hände der Juden.
      Dies geschah am 3. November römischer, am 8. Dios griechischer, am 10. Marcheschvan jüdischer Rechnung, im zwölften Regierungsjahr des Kaisers Nero.

    Feierlich mit ihren Instrumenten standen die Leviten auf den Stufen des Heiligen Raumes, hinter ihnen im Heiligen Raum selbst Priester aller vierundzwanzig Reihen. Nach dem überraschenden Sieg über Cestius Gall hatte der Erzpriester Anan, wiewohl er die Partei der »Unentwegt Rechtlichen« führte, einen

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