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Der jüdische Krieg.

Der jüdische Krieg.

Titel: Der jüdische Krieg. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Jerusalem werden wir bleiben.
      Sie hockten auf den Polstern, äußerlich ruhig, aber beide waren sie erregt, und beide strichen sie heftig den viereckigen, schwarzen Bart. Der Knabe Ephraim schaute mit wilden Augen auf den Bruder; es war offensichtlich, daß nur die Ehrfurcht vor dem Vater ihn hinderte, gegen ihn loszugehen. Josef schaute von einem zum andern. Alexas saß ruhig und beherrscht, er lächelte sogar, aber Josef sah gut, wie bitter und traurig er war. Sicherlich hatte Alexas recht, aber seine Vorsicht wirkte kahl und kümmerlich vor der Beharrlichkeit des Vaters und vor der Zuversicht des Knaben.
      Von neuem kam Alexas mit Vernunft. »Wenn die Römer unsere Sandtransporte vom Flusse Belus nicht mehr hereinlassen, dann können wir unsere Glasbläserei zusperren. Sie natürlich, Doktor Josef, Sie sind Politiker, Sie müssen in Jerusalem bleiben. Aber einfache Kaufleute wie wir« – »Großkaufleute«, korrigierte mild Nachum und streichelte seinen Bart –, »tun wir nicht am besten, schleunigst von Jerusalem wegzuziehen?«
      Allein Nachum wollte von diesen Dingen nichts mehr hören. Ohne Übergang wechselte er das Thema. »Unsere Familie«, erklärte er dem Josef, »ist in allen Dingen beharrlich. Als mein Großvater, das Andenken des Gerechten zum Segen, starb, hatte er noch achtundzwanzig Zähne, und als mein Vater, das Andenken des Gerechten zum Segen, starb, hatte er noch dreißig Zähne. Ich bin heute über fünfzig, und ich habe noch meine zweiunddreißig Zähne, und meine Haare sind noch fast schwarz und gehen mir nicht aus.«
      Als Josef sich entfernen wollte, forderte Nachum ihn auf, mit in die Werkstatt zu kommen und sich ein Geschenk auszusuchen. Denn noch ist das Fest des Sieges von Beth Horon, und kein Fest ohne Geschenke.
      Der Ofen glühte eine unerträgliche Hitze aus, und der Rauch lag dick in der Werkstatt. Nachum wollte dem Josef durchaus ein Prunkglas aufdrängen, einen großen, eiförmigen Becher, die Außenseite durchbrochene Arbeit, so daß das Ganze wie von einem gläsernen Netz gleichsam umwirkt war. Nachum sang die Verse des alten Liedchens: »Wenn ich nur einmal, heute nur, mein Prunkglas hab, morgen mag es zerbrechen.« Allein Josef wies das kostbare Geschenk zurück, wie es der Anstand erforderte, und begnügte sich mit etwas Einfacherem.
      Der Knabe Ephraim konnte sich’s nicht versagen, mit seinem Bruder Alexas im Rauch und in der Hitze der Werkstatt eine neue, wilde, politische Debatte anzufangen. »Warst du bei dem großen Hallel?« stürmte er auf ihn ein. »Natürlich nicht. Jahve hat dich mit Blindheit geschlagen. Aber jetzt lasse ich mir nichts mehr einreden. Ich trete in die Bürgerwehr ein.« Alexas verzog den Mund. Er hatte für den glühenden Knaben nichts als ein Schweigen und ein verlegenes Lächeln. Er hätte so gern mit seiner Frau und seinen zwei kleinen Kindern Jerusalem verlassen. Aber er hing mit ganzem Herzen an seiner Familie, an seinem schönen, törichten Vater Nachum und an seinem schönen, törichten Bruder Ephraim. Er war der einzige, der hier Vernunft hatte. Er mußte bleiben, um sie vor dem Äußersten zu bewahren.
      Endlich konnte Josef gehen. Er ließ die Tür unter der großen Glastraube hinter sich, atmete nach der Hitze und dem Rauch der Werkstatt wohlig die angenehm frische Luft. Alexas begleitete ihn ein Stück Weges. »Sie sehen«, sagte er, «wie die Unvernunft reißend um sich greift. Vor einer Woche noch war mein Vater ein überzeugter Gegner der Makkabi-Leute. Bleiben Sie uns wenigstens vernünftig, Doktor Josef. Sie haben Sympathien. Setzen Sie einige Sympathien aufs Spiel und behalten Sie Ihren Verstand. Sie sind eine große Hoffnung. Ich wünschte herzlich, man beriefe morgen in der Quadernhalle Sie in die Regierung.« Josef, im stillen, dachte: Er will mich so unsympathisch haben, wie er selber ist. Alexas, als er sich verabschiedete, sagte trüb: »Ich wollte, dieser Sieg wäre uns erspart geblieben.«

    Eine halbe Stunde vor dem angesetzten Beginn der Versammlung ging Josef in die Quadernhalle. Aber schon hatten sich die Herren der gesetzgebenden Körperschaften fast alle eingefunden. In ihrer blauen Amtstracht die Herren vom Kollegium des Erzpriesters, in ihren weiß und blauen Festkleidern die Herren vom Großen Rat, weiß und rot die Herren vom Obersten Gericht. Sonderbar dazwischen stand in seinen Waffen Simon Bar Giora mit einigen seiner Offiziere.
      Josef war kaum eingetreten, als sein Freund Amram

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