Der jüdische Krieg.
Vierzehnjährige, Nachums jüngster Sohn. Er trug das Abzeichen mit den Initialen Makkabi. Er war ein schöner, frischer Junge, und heute glühte er von doppeltem Leben. Er hatte Simon Bar Giora gesehen, den Helden. Begeistert strahlten seine langen Augen aus dem warmen, dunkeln Gesicht. Es war vielleicht unrecht gewesen, daß er heute aus der Werkstatt fortlief. Aber er konnte doch das große Hallel im Tempel nicht versäumen. Und er war ja auch belohnt worden, er hatte Simon Bar Giora gesehen.
Josef war schon im Begriff zu gehen, als auch Nachums ältester Sohn kam, Alexas. Alexas war stattlich und beleibt wie der Vater, er hatte den gleichen dicken, viereckigen Bart und das frischfarbige Gesicht; aber seine Augen waren trüber, er wiegte viel den Kopf, strich sich oft mit der rauhen, vom Anfassen heißer Masse zerschrundeten Hand den Bart. Er war nicht ruhevoll wie der Vater, er sah immer bekümmert aus, beschäftigt. Er belebte sich, als er Josef erblickte. Josef durfte jetzt nicht gehen. Er mußte ihm helfen, den Vater überzeugen, daß man jetzt noch, solange vielleicht noch Zeit sei, Jerusalem verlasse. »Sie waren in Rom«, redete er auf ihn ein, »Sie kennen Rom. Sagen Sie selbst, was die Makkabi-Leute jetzt treiben, muß das nicht zum Zusammenbruch führen? Ich habe die besten Beziehungen, ich habe Geschäftsfreunde in Nehardea, in Antiochien, in Batna. Ich verpflichte mich beim Leben meiner Kinder, in jeder beliebigen Stadt des Auslands binnen drei Jahren ein Geschäft aufzumachen, das hinter unserm hier nicht zurückbleibt. Reden Sie meinem Vater zu, daß er sich von diesem gefährlichen Boden fortmacht.«
Der Knabe Ephraim fuhr auf den Bruder los, seine schönen Augen waren schwarz vor Wut. »Du verdienst nicht, in dieser Zeit zu leben. Alle schauen mich schief an, weil ich so einen Bruder habe. Geh nur zu den Schweinefressern, du! Jahve hat dich ausgespien aus seinem Mund.« Nachum wehrte dem Knaben, aber nur sachte. Er selber hörte die Reden seines Sohnes Alexas nicht gern. Wohl war ihm manchmal bange geworden bei dem wilden Treiben der »Rächer Israels«, und er wie die andern streng Rechtgläubigen hatte sie abgelehnt; aber nachdem jetzt fast ganz Jerusalem den Makkabi-Leuten recht gab, führte man keine solchen Reden wie Alexas. »Hören Sie nicht auf meinen Sohn Alexas, Doktor Josef«, sagte er. »Er ist ein guter Sohn, aber er muß immer alles anders haben als die andern. Immer steckt er voll von querköpfigen Ideen.«
Josef wußte, daß es grade diese querköpfigen Ideen des Alexas waren, denen die Fabrik des Nachum ihren Aufschwung verdankte. Nachum Ben Nachum betrieb seine Werkstatt, wie sein Vater und sein Großvater sie betrieben hatten. Er fabrizierte immer das gleiche, verkaufte immer das gleiche. Beschränkte sich auf den Jerusalemer Markt. Ging auf die Börse, auf die Kippa, setzte mit Hilfe der zuständigen Notare die zeremoniellen, umständlichen Kaufverträge auf und sorgte dafür, daß sie im Stadtarchiv hinterlegt wurden. Mehr zu tun erschien ihm von Übel. Als eine zweite Glasfabrik in Jerusalem errichtet wurde, hätte er sich mit so schlichten Prinzipien gegen die rührige Konkurrenz nicht halten können. Da hatte Alexas eingegriffen. Während man bisher in Nachums Werkstatt zumeist mit der Hand gearbeitet hatte, hatte Alexas den Betrieb modernisiert, so daß man jetzt ausschließlich die lange Glasmacherpfeife anwandte und aus ihr schöne, runde Gefäße herausblies, so wie Gott den Atem in den menschlichen Leib einbläst. Alexas hatte ferner große Quantitäten pulverisierten Quarzkiesels eingeführt, die sehr rentable Filiale in der Oberstadt errichtet, in der nur Prunk- und Luxusgläser verkauft wurden. Hatte die großen Warenmärkte von Gaza, Cäsarea und die Jahresmesse von Batna in Mesopotamien beschickt. Alle diese Neuerungen hatte der kaum Dreißigjährige in ständigem Kampf gegen den Vater durchsetzen müssen.
Auch heute ereiferte sich Nachum gegen den Sohn und seine übervorsichtigen, siebenklugen Reden. Niemals wieder nach dieser Schlappe werden die Römer nach Jerusalem ziehen. Und wenn sie kommen, wird man sie übers Meer zurückwerfen. Er jedenfalls, Nachum Ben Nachum, der Großhändler, wird niemals diese seine Glasfabrik verlassen und von Jerusalem fortgehen. Man hat Glas mit der Hand geformt, und man hat Glas mit der Pfeife geblasen, und Jahve hat das Werk gesegnet. Durch Jahrhunderte waren wir Glasbläser in Jerusalem, und Glasbläser in
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