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Der jüdische Krieg.

Der jüdische Krieg.

Titel: Der jüdische Krieg. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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habe sich sichtbarlich für die erklärt, die nicht länger warten wollten; er habe ein Wunder getan. »Rom hat sechsundzwanzig Legionen«, rief einer der jüngeren Aristokraten dazwischen, »glauben Sie, daß Gott noch weitere fünfundzwanzig Wunder tun wird?« – »Lassen Sie so etwas nicht außerhalb dieser Mauern hören«, drohte Eleasar. »Das Volk hat keine Laune mehr für so kümmerliche Witze. Die Lage verlangt, daß die Gewalten neu verteilt werden. Sie werden weggefegt, alle hier, die Sie nicht zu den ›Rächern Israels‹ gehören, wenn Sie nicht Simon Bar Giora in der zu bildenden Regierung der nationalen Verteidigung Sitz und Stimme anbieten.« – »Ich beabsichtige nicht, Herrn Simon einen Sitz in der Regierung anzubieten«, sagte der Erzpriester Anan. »Denkt einer von den Doktoren und Herren daran?« Langsam gingen seine grauen Augen im Kreis, das schmale, hohe Gesicht unter der blau und goldenen Erzpriesterbinde schien unbeteiligt. Niemand sprach. »Wie denken Sie sich die Verwendung der Gelder, die Herr Simon Ihnen übergeben hat?« fragte Anan den Chef der Tempelverwaltung. »Die Gelder sind ausschließlich für Zwecke der nationalen Verteidigung bestimmt«, sagte Doktor Eleasar. »Nicht auch für andere Zwecke der Regierung?« fragte Anan. »Ich kenne keine andern Aufgaben der Regierung«, erwiderte Doktor Eleasar. »Durch den kühnen Handstreich Ihres Freundes«, sagte der Erzpriester, »haben sich Verhältnisse herausgebildet, die es uns wünschenswert erscheinen ließen, einige unserer Befugnisse an die Tempelverwaltung abzutreten. Aber Sie werden begreifen, daß wir, wenn Sie unsere Aufgaben so eng sehen, unsere Kompetenzen nicht mit Ihnen teilen können.« – »Das Volk verlangt eine Regierung der nationalen Verteidigung«, sagte hartnäckig der junge Eleasar. »Eine solche Regierung wird sein, Doktor Eleasar«, erwiderte der Erzpriester, »aber ich fürchte, sie wird auf die Mitwirkung Doktor Eleasar Ben Simons verzichten müssen. Es hat in Israel in Notzeiten Regierungen gegeben«, fuhr er fort, »in denen weder ein Finanzmann saß noch ein Soldat, nur Priester und Staatsmänner. Es waren dies nicht die schlechtesten Regierungen in Israel.« Er wandte sich an die Versammlung: »Das Gesetz räumt dem Doktor Eleasar Ben Simon selbständige Entscheidung ein über die Geldbestände der Tempelverwaltung. Die Kassen der Regierung sind leer, die Geldbestände Doktor Eleasars durch die Beute von Beth Horon um mindestens zehn Mil lionen Sesterzien vermehrt. Wünschen Sie, meine Doktoren und Herren, daß wir den Doktor Eleasar in die Regierung aufnehmen?« Viele erhoben sich, mahnten unmutig, drohten zur Mäßigung. »Ich habe nichts zurückzunehmen und nichts zuzufügen«, kam nicht laut die tiefe Stimme des Erzpriesters. »Geld ist wichtig in diesen schweren Zeiten, die Aufnahme des temperamentvollen Doktor Simon in die Regierung halte ich für eine Belastung. Das Für und Wider ist klar. Wir schreiten zur Abstimmung.« – »Die Abstimmung ist nicht notwendig«, sagte grau vor Erregung Doktor Eleasar. »Ich würde den Eintritt in diese Regierung ablehnen.« Er stand auf, ging ohne Gruß aus der schweigenden Versammlung. »Wir haben weder Geld noch Soldaten«, sagte nachdenklich Doktor Jannai, der Finanzverwalter des Großen Rats. »Wir haben für uns«, sagte der Erzpriester, »Gott, das Recht und die Vernunft.«
      Es wurde das Aktionsprogramm der Regierung für die nächsten Wochen festgelegt. Das Priesterkollegium, der Große Rat, der Oberste Gerichtshof kamen bei genauer Prüfung der Sachlage zu dem Resultat: man befinde sich nicht im Krieg mit Rom. Die aufrührerischen Handlungen waren von einzelnen begangen worden, die Behörden trugen keine Verantwortung. Die jüdische Zentralregierung in Jerusalem muß, wie die Dinge nun einmal liegen, mobilisieren. Aber sie respektiert das der römischen Verwaltung direkt unterstellte Gebiet, Samaria, den Küstenstrich. Sie verbietet streng jede Handlung, die als ein Angriff gedeutet werden könnte. Ihr Programm heißt: bewaffneter Friede.
      Gegen die kühle, ruhige Haltung der alten Herren war schwer aufzukommen. Es zeigte sich sogleich, daß trotz des Sieges bei Beth Horon die »Unentwegt Rechtlichen« und die »Wahrhaft Schriftgläubigen« an der Macht bleiben würden. Josef war mit soviel Zuversicht in die Sitzung gekommen. Er wußte, das Land wird verteilt werden, bestimmt wird ein Stück davon für ihn abfallen, diesmal sicherlich wird er

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