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Der jüdische Krieg.

Der jüdische Krieg.

Titel: Der jüdische Krieg. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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gegen die hartnäckige Stadt heranzuführen. Alle Wälder ringsum holzten sie ab und machten solche Wälle daraus. Sie arbeiteten unter dem Schutz sinnreicher Konstruktionen aus Tierfell und feuchtem Leder, die die Brandgeschosse der Belagerten wirkungslos machten. Die Leute von Jotapat beneideten die Römer, die Wasser zu solchem Zweck verwenden konnten. Sie machten Ausfälle, mehrmals gelang es ihnen, die feindlichen Werke anzuzünden. Aber rasch wurde das Zerstörte ergänzt, und die Wälle und Gänge krochen näher.
      Abend für Abend hielt Josef von den Mauertürmen nach ihnen Ausschau. Wenn die Laufgänge einen gewissen Punkt im Norden erreicht hatten, dann war Jotapat verloren, selbst wenn Jerusalem noch Truppen zum Entsatz schicken sollte. Langsam ging Josefs Blick in die Runde. Überall auf den Bergkuppen waren Kreuze, die Bergstraßen waren gesäumt mit Kreuzen. Die Exekutierten hatten die Köpfe nach vorn geneigt, schräg, den Mund hängend. Josef schaute, mechanisch suchte er die Kreuze zu zählen. Seine Lippen waren trocken und gesprungen, sein Gaumen gedörrt, seine Augen gerötet; er nahm für sich keine größere Ration Wasser als für die andern. Am 20. Juni, am 18. Siwan jüdischer Rechnung, hatten die Wälle jenen gefährlichen Punkt im Norden erreicht. Josef setzte für den Tag darauf einen Gottesdienst an. Er ließ die Versammelten das Sündenbekenntnis sprechen. Eingehüllt in die Mäntel mit den purpurblauen Gebetfäden, standen die Männer, schlugen sich wild die Brust, schrien inbrünstig: O Adonai! Gesündigt hab ich, gefehlt hab ich, gefrevelt hab ich vor deinem Angesicht. Josef stand vorn, als Priester der Ersten Reihe, mit Inbrunst wie die andern einbekannte er dem Gott: O Adonai! Gesündigt hab ich, gefehlt hab ich, gefrevelt hab ich, und er fühlte sich schmutzig, niedrig und zerknirscht. Da, als er den dritten Satz des Sündenbekenntnisses anhub, riß es ihm den Kopf hoch, er spürte aus den rückwärtigen Reihen aus kleinen, besessenen Augen einen Blick bösartig und beharrlich auf sich gerichtet, und er sah einen Mund, der nicht im Chor der andern mitsprach: Gefehlt hab ich, gesündigt hab ich, sondern der scharf und wild die Worte bildete: Gesündigt hast du, gefehlt hast du. Es war der Mund des Sapita. Und als Josef am Schluß des Dienstes mit den andern Priestern den Segen sprach, als er mit gehobenen Händen, die Finger gespreizt, vor der Versammlung stand, die die Köpfe zu Boden senkte, denn über den segnenden Priestern schwebte der Geist Gottes, da war es wieder ein Augenpaar, das sich frech erhob und bösartig und beharrlich gegen ihn richtete, und das Gesicht des Sapita höhnte deutlich: Sperr deinen Mund zu, Josef Ben Matthias. Wir verrecken lieber ohne deinen Segen, Josef Ben Matthias.
      Josef war voll von einer großen Verwunderung. Er hatte sich keiner Gefahr versagt, er nahm Durst und Bedrängnis auf sich wie der Geringste seiner Soldaten, seine Maßnahmen erwiesen sich als gut und wirksam, Gott war sichtbarlich mit ihm, schon hielt er die Stadt länger, als irgend jemand es für möglich gehalten hätte. Was wollte dieser Sapita? Josef zürnte ihm nicht. Der Mann war verblendet, was er tat, Lästerung.
      Der Ausfall, den Josef am andern Tag gegen den Wall im Norden machte, geschah mit wildem Fanatismus. Im Kampf zu sterben war besser als am Kreuz, und diese finstere Sehnsucht nach einem Tod im Kampf ließ die Juden trotz des dich ten Geschoßregens bis zu dem gefährdeten Punkt vordringen. Sie machten die Verteidigungsmannschaften nieder, setzten Dämme und Maschinen in Brand. Die Römer wichen. Wichen nicht nur an dieser Stelle, sondern auch im Süden, wo sie kaum bedrängt waren. Bald auch wußten die Leute von Jotapat den Grund: Vespasian war getroffen, der römische Marschall war verwundet. Jubel war in der Stadt, Josef ließ die doppelte Ration Wasser verteilen. Es war die fünfte Woche. Wenn es ihm gelingt, die siebente Woche zu erreichen, dann wird der Sommer zu weit vorgeschritten, dann wird Jerusalem für dieses Jahr gerettet sein.
      Es dauerte fast eine Woche, bis die Römer den Punkt im Norden wieder gesichert hatten. Inzwischen aber hatten sie auch ihre Belagerungsmaschinen, die Widder, an drei Seiten der Mauer in Stellung gebracht. Es waren dies gewaltige Balken, Schiffsmasten ähnlich, vorne mit einem mächtigen Eisenblock in Form eines Widderkopfes versehen. In der Mitte waren die Masten mit Seilen an einem waagrechten Balken aufgehängt,

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