Der jüdische Krieg.
eine, sondern drei Legionen bei sich, vollwertige, die Fünfte, die Zehnte und die Fünfzehnte, schwerlich wird Josef einen der drei Goldenen Adler erbeuten, die diese Legionen mit sich führen. Aber auch seine Festung Jotapat hat gute Mauern und Türme, sie liegt hoch und erfreulich steil, er hat gewaltige Massen von Lebensmitteln, seine Leute, vor allem die Mannschaften des Sapita, sind gut in Form. Der Marschall Vespasian wird sich anstrengen müssen, ehe er die Mauern dieser Festung schleifen und die Gesetzesrollen ihres Bethauses fortschleppen kann.
Vespasian unternahm keine Attacke. Sein Heer lagerte untätig wie ein Klotz, allerdings auch fest wie ein Klotz. Vermutlich wollte er warten, bis Josef verzweifelt aus seinem Loch herausbrechen oder an Entkräftung verrecken würde.
Auf Schleichwegen gelangte ein Schreiben aus Jerusalem an Josef. Die Hauptstadt, teilte sein Vater Matthias mit, werde ihm keine Entsatztruppen schicken. Doktor Eleasar Ben Simon zwar habe die Sendung von Entsatz dringlich verlangt. Aber es gebe Leute in Jerusalem, die Jotapat nicht ungern fallen sähen, wenn nur auch Josef mit umkomme. Er solle die Festung übergeben, die sich ohne Hilfe von außen keine zwei Wochen halten könne. Josef überlegte trotzig. Man war im Mai. Wenn Jotapat sich bis in den Juli hinein halten kann, dann wird es vielleicht für die Römer zu spät im Jahr sein, vor Jerusalem zu rücken. Begreifen sie das nicht, die in der Quadernhalle? Dann wird eben er die verblendete Stadt gegen ihren Willen retten. Er schrieb seinem Vater zurück, nicht zwei Wochen, sondern sieben mal sieben Tage werde er Jotapat halten. Sieben mal sieben Tage: die Worte waren ihm wie von selbst gekommen. Mit so traumhafter Sicherheit mochten vordem die Propheten ihre Gesichte verkündet haben. Aber Josefs Brief gelangte nicht an seinen Vater. Die Römer fingen ihn ab, und die Herren des Generalstabs lachten über den großmäuligen jüdischen Kommandanten: es war ausgeschlossen, daß Jotapat sich so lange halten konnte.
Die zweite Woche kam, und die Römer griffen noch immer nicht an. Die Stadt war gut mit Lebensmitteln verproviantiert, aber das Zisternenwasser wurde knapp, Josef mußte es scharf rationieren. Es war ein heißer Sommer, die Belagerten litten Tag für Tag schlimmer unter dem Durst. Viele stahlen sich, um Wasser zu suchen, auf unterirdischen Wegen aus der Stadt; denn die Bergkuppe war durchzogen von einem wilden und wirren System unterirdischer Gänge. Aber solche Versuche waren tollkühne Unternehmungen. Wer dabei den Römern in die Hände fiel, den exekutierten sie am Kreuz.
Das Kommando über die Exekutionen hatte der Hauptmann Lukian. Er war im Grund ein gutmütiger Herr, aber er litt sehr unter der Hitze und war infolgedessen oft schlechter Laune. Bei solcher Laune gab er Befehl, die zu Exekutierenden ans Kreuz zu binden, was einen langsameren, peinvolleren Tod bedeutete. Bei besserer Laune ließ er zu, daß die Profose ihren Verurteilten die Hände festnagelten, so daß der schnell ausbrechende Wundbrand einen rascheren Tod herbeiführte.
Abend für Abend bewegten sich die jämmerlichen Prozessionen die Höhen hinauf, die Verurteilten trugen die Querbalken ihrer Kreuze auf dem Nacken, die ausgereckten Arme waren ihnen bereits daran festgebunden. Die Nacht kühlte die hängenden Leiber, aber die Nächte waren kurz, und sowie die Sonne aufging, kamen Fliegen und anderes Geziefer. Ringsum sammelten sich Vögel und herrenlose Hunde und warteten auf den Fraß. Die Männer am Kreuz sagten das Sterbebekenntnis: Höre, Israel, Jahve ist unser Gott, Jahve ist einzig. Sie sagten es, solange noch Worte aus ihrem Mund kamen, sie sagten es hinüber einer zum Kreuz des andern. Bald war die hebräische Formel auch im römischen Lager geläufig, willkommener Anlaß zu allerhand Witzen. Die Militärärzte machten Statistiken, wie lange es dauerte, bis einer starb, der angenagelt, wie lange, bis einer starb, der angebunden war. Sie baten sich besonders kräftige und besonders schwächliche Gefangene für ihre Beobachtungen aus und konstatierten, wie sehr die hochsommerliche Hitze zur Beschleunigung des letalen Ausgangs beitrug. Auf allen Höhen ringsum standen die Kreuze, und die an ihnen hingen, wurden Abend für Abend ausgewechselt. Die Römer konnten nicht jedem sein Sonderkreuz geben, sie mußten, trotzdem die Gegend waldreich war, mit Holz sparen.
Sie benötigten es, um kunstvolle Wälle und Laufgänge
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