- Der Jünger des Teufels
für wenige Minuten geschlossen. Als er wieder geöffnet
wurde, waren die drei Infusionsschläuche bereits an beiden Armen angeschlossen.
Ich hatte von Gefangenen gehört, die friedlich starben,
doch Gemal sollte nicht dazu gehören. Mit letzter Kraft bäumte er sich gegen
sein Schicksal auf und kämpfte mit krampfhaft gekrümmtem Rücken und hochrotem
Gesicht gegen die Lederriemen an. Seine dunklen Augen traten hervor, als sein
Blick durch den Raum wanderte. Er führte sich ganz und gar nicht wie ein Mann
auf, der keine Angst vor dem Tod hatte. Bis ich erkannte, dass es nicht Angst
war, die ich auf seinem Gesicht sah, sondern grelle Wut, als sein Blick auf mir haften blieb.
Gemal starrte mich mit einem brennenden, hasserfüllten Blick
an, der mir seine Worte in Erinnerung rief. » Viel Vergnügen bei der Show.
Dafür werden Sie bezahlen. Sie glauben mir nicht? Warten Sie’s ab. Ich werde
den Tod besiegen und zurückkommen, und dann nehme ich Sie mit in die Hölle,
Kate. Das verspreche ich. «
Ich fragte mich soeben, was er mit diesen scheinbar
verrückten Worten wohl gemeint hatte, als die Wirkung des tödlichen Drogencocktails
einsetzte. Gemals Augen flackerten wie elektrische Glühbirnen, ehe sie
durchbrannten, und sein Kopf sank zurück auf die Bahre. Es sah aus, als wäre er
in ein Koma gefallen. Gleichzeitig begann er zu röcheln. Ich nahm an, dass ihm
das Natriumthiopental, das einen künstlichen Schlaf hervorrief, injiziert
worden war.
Kurz darauf bekam er einen Hustenanfall, und sein Brustkorb
wölbte sich unter den Lederriemen. Vermutlich strömte die zweite Chemikalie,
das Pancuroniumbromid, durch seine Adern und lähmte seine Lungen. Keuchend rang
er nach Atem. Sein Körper bäumte sich so krampfartig auf, dass er sich das
Rückgrat gebrochen hätte, wäre er nicht an die Bahre gefesselt gewesen. Seine
Lippen begannen zu zittern, und ein heftiges Zucken erschütterte seinen Körper.
Ein letzter Atemzug, dann lag er regungslos da. Das tödliche Gemisch hatte zum
Herzstillstand geführt.
Im Besucherraum herrschte tiefe Stille, als einer der
Wärter hinter den Vorhang trat, sofort wieder auftauchte, den Raum durchquerte
und flüsternd mit Gefängnisdirektor Clay sprach. Der hatte von dem Augenblick
an, als Gemal in den Raum geführt worden war, neben dem roten Wandtelefon
gestanden, die Hand auf dem Hörer. Clay lauschte, entließ den Wärter mit einem
Nicken, schaute auf die Armbanduhr und informierte den Direktor der
Strafvollzugsbehörde telefonisch über den Todeszeitpunkt des Delinquenten.
»Herr Direktor, der Tod des Häftlings Constantine Gemal ist
um einundzwanzig Uhr neunzehn eingetreten.«
Ich werde diese Worte, die Gemals Tod bestätigten, niemals vergessen. Niemals. Denn anschließend geschahen sehr viele Dinge, die mich an der Richtigkeit
dieser Worte zweifeln ließen.
Doch in diesem Augenblick nahm mich eine sonderbare
Erfahrung gefangen. Es kam mir vor, als wäre alle Luft aus dem Raum entwichen,
und mit ihr ein böser Geist. Anders kann ich es nicht beschreiben. Ich hörte
einen allgemeinen Seufzer der Erleichterung, als die Zeugen aufstanden und
benommen den Raum verließen. Melanie Jackson kam zu mir und legte mir eine Hand
auf den Arm. Ihre Mutter blieb zurück und winkte mir zu. Ich erwiderte die
Geste. »Wie geht es Ihnen, Kate?«, fragte Melanie.
»Es geht schon«, erwiderte ich.
»Wirklich?«, fragte sie leise.
Als ich in ihre besorgten mandelförmigen Augen schaute, sah
ich Megan vor mir. Den Tränen nahe, strich ich Melanie dankbar über die Hand. »Es
ist gut, Melanie, wirklich. Wie geht es dir?«
Sie zuckte die schmalen Schultern. »Nachdem ich ein Jahr
auf diesen Augenblick gewartet habe, dachte ich, mein Kummer würde schlagartig
verschwinden, aber so war es nicht. Trotzdem war es richtig, ihn zu töten. Das
ist meine ehrliche Meinung. Als er starb, hatte ich das Gefühl, ein teuflischer
Geist hätte den Raum verlassen.«
Melanie sprach wie eine Erwachsene, und ich wusste ganz genau,
was sie meinte. Sie reichte mir einen Zettel. »Passen Sie auf sich auf, Kate.
Versprechen Sie mir, mich zu besuchen, falls Sie einmal nach Arizona kommen?
Ich würde mich freuen, wenn wir uns wieder sehen würden.«
Ich war gerührt. »Danke, Melanie. Das würde mir auch
gefallen.«
Ehe Melanie zu ihrer Mutter zurückkehrte, umarmten wir uns.
Auch andere Angehörige fielen einander in die Arme und weinten, als wäre das
alles zu viel für sie gewesen. Plötzlich hatte ich das
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