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- Der Jünger des Teufels

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Titel: - Der Jünger des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenn Meade
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Zuschauerraum während der Hinrichtung zu verlassen, falls Sie den Wunsch
haben. Danke.«
    Ich hatte fast alles gelesen, was ich über das Sterben
durch die Todesspritze finden konnte. Ich hatte versucht, mich mental auf das
Ereignis einzustellen, aber ich glaube, auf so etwas kann man sich nicht
wirklich vorbereiten. Die schweren, blauen Plastikvorhänge hinter der dicken
Glasscheibe waren schon geöffnet, sodass der Blick in einen sterilen Raum fiel,
der ein wenig an einen Operationssaal erinnerte.
    In dem Raum stand ein Stahltisch, eine Art Bahre auf Rollen
in der Form eines Kreuzes, wobei die Arme nach unten zeigten. Sechs
Infusionsschläuche aus Plastik waren durch eine Öffnung in dem blauen, mit
einem Sichtfenster versehenen Vorhang gezogen worden. Hinter diesem Vorhang
warteten die Vollstrecker mit den tödlichen Chemikalien und dem E KG-Monitor. Die Tötung
würde mittels dreier intravenöser Injektionen erfolgen.
    Zuerst wurde der Delinquent auf die Bahre geschnallt,
Beine, Arme und Handgelenke wurden mit Lederriemen fixiert. Dann legten die
Vollstrecker die venösen Zugänge in beiden Armen, an denen sie jeweils drei
Infusionsschläuche anschlossen, und befestigten die E KG-Elektroden am Körper
des Todeskandidaten. Sobald die isotone Kochsalzlösung in seine Venen floss,
wurde der Verurteilte bis zur Brust mit einem Tuch bedeckt. Nach der Kochsalzlösung
wurde das Natriumthiopental injiziert, worauf der Häftling in einen tiefen
Schlaf fiel.
    Als zweite Chemikalie wurde ihm Pancuroniumbromid
injiziert, ein Muskelrelaxans, das auch seine Atemmuskulatur lähmte. Die letzte
Chemikalie, das Kaliumchlorid, führte schließlich zum Herzstillstand.
    Normalerweise dauerte der gesamte Vorgang drei bis zehn Minuten.
Sobald die Hinrichtung vorbei war, wurde der Leichnam in einen Leichensack
gepackt und mit einem Namensschild am großen Zeh versehen. In Gemals Fall würde
der Leichnam umgehend ins gerichtsmedizinische Institut in Richmond transportiert
und dort über Nacht in einem Kühlfach aufbewahrt. Am nächsten Morgen sollte
eine Autopsie vorgenommen werden, ehe der Leichnam begraben wurde.
    Die Todesspritze mochte als die humanste Form der Hinrichtung
angesehen werden, doch einige Ärzte behaupteten, die Spritze könne schwierig zu
verabreichen sein, weil viele verurteilte Häftlinge wegen Drogenmissbrauchs
kaputte Venen hätten oder unter Diabetes litten. Ich hatte wahre Horrorgeschichten
gelesen, was passieren konnte, wenn alles schief ging – wie im Fall eines
geistig verwirrten Mörders aus Arkansas. Die Sanitäter brauchten fast eine
Stunde, um eine Vene in seinem Arm zu finden, und schließlich musste der
Gefangene seinen eigenen Vollstreckern helfen, die Zugänge zu legen.
    Während einer anderen Hinrichtung in Texas löste sich ein Infusionsschlauch
und besprühte die Gefängnisbeamten mit der tödlichen Chemikalie. Der Vorhang
musste für fünfzehn Minuten zugezogen werden, damit die Zeugen das Chaos nicht
sahen. Häufig reagierten zum Tode Verurteilte sehr heftig auf die tödlichen
Drogen, die ihnen gespritzt wurden, und einigen war kein schneller Tod
vergönnt.
    Ich versuchte, diese beunruhigenden Gedanken zu verdrängen
und hoffte, dass die Hinrichtung am heutigen Abend ohne Zwischenfälle
vonstatten ging. Wir alle hier in diesem Raum hatten entsetzliche Traumata
erlitten, und keiner von uns hatte Interesse daran, ein weiteres Drama zu
erleben. Außerdem saßen wir nicht in einem Theater.
    Doch Constantine Gemal gelang es wieder einmal, uns alle zu
überraschen.

10.
    Als ich darauf wartete, dass der Vorhang sich
öffnete, dachte ich an ein Zitat meiner Mutter: »Jede Sünde hat ihren eigenen Racheengel.«
In Constantine Gemals Fall würden sich bald neunundzwanzig Racheengel auf ihn
stürzen.
    Doch als die Minuten verstrichen, ohne dass etwas geschah,
begannen die Besucher zu husten und mit den Füßen zu scharren. Allen Anwesenden
war unbehaglich zumute, und sie wünschten sich, die Sache möglichst schnell
hinter sich zu bringen. Plötzlich sprang die Stahltür auf der rechten Seite
auf. Gemal wurde von sechs großen, stämmigen Wärtern in die Exekutionskammer
geführt. Ein Raunen ging durch die Menge, doch ich wusste nicht, ob die
Zuschauer ihrer Befriedigung oder ihrer Abscheu über die bevorstehende
Hinrichtung Ausdruck verliehen.
    Dann ging alles ganz schnell. Gemal wurde auf die Bahre
geschnallt, und seine Hände, Arme und Beine wurden festgebunden. Darauf wurde
der blaue Plastikvorhang

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