- Der Jünger des Teufels
Frage kam so plötzlich, dass mir die Knie weich wurden.
Ich wusste, dass ich zum ersten Mal seit Jahren einen Mann getroffen hatte, mit
dem ich mir eine feste Beziehung wünschte. Doch es sollte sich auf keinen Fall
so anhören, als würde ich mich ihm an den Hals werfen, nur weil ich
fünfunddreißig war und die biologische Uhr tickte. »Könnte ich ein oder zwei
Tage darüber nachdenken?«
»Klar. Aber lass dir nicht zu lange Zeit, sonst mache ich
mir Sorgen.«
»Versprochen.« Als ich Davids Hand drückte, wusste ich, dass
meine Meinung feststand, und ich glaube, er wusste es auch.
»Was hältst du davon, wenn wir heute Abend essen gehen? Ich
kenne ein gutes Fischrestaurant ganz in der Nähe an der Küste. Ich ruf dort an.«
Er durchquerte das Atelier und reservierte einen Tisch für uns.
Um sieben Uhr fuhren wir zu dem Restaurant. Wir
aßen Garnelen und Steaks. Zum Dessert gab es Zitronenkäsekuchen, und zum
Abschluss Kaffee mit einem Schuss Brandy. Als wir zum Cottage zurückkehrten,
schenkte David uns beiden ein Glas Wein ein, und dann ließ ich mich von ihm die
Treppe hinauftragen. Wir zogen einander aus und liebten uns voller Zärtlichkeit
und Hingabe. Später lagen wir nebeneinander auf seinem großen alten Messingbett
und lauschten den Songs von Norah Jones und dem Flügelschlagen eines Schwarms
Wintergänse, die den Potomac überquerten.
Doch heute Nacht war ich todunglücklich, als ich auf den dunklen
Fluss schaute. Das Cottage gehörte mir, seitdem Davids Anwalt mich drei Wochen
nach der Beerdigung angerufen und in sein Büro in Georgetown bestellt hatte.
Was er mir zu sagen hatte, erstaunte mich. David hatte mir in seinem Testament
den gesamten Besitz von Manor Brook vermacht. Er war noch immer verfallen und
viel zu groß, um allein dort zu leben. Daher beschloss ich, im Cottage wohnen
zu bleiben. Außerdem hatte David mir ein Dutzend seiner Lieblingsbilder und
eine halbe Million Dollar in bar vermacht.
Das war viel Geld, doch bis zum heutigen Tag hatte ich nicht
einen Cent angerührt. Ich konnte es nicht, und es bedeutete mir nichts.
Wahrscheinlich würde ich davon eines Tages eine Stiftung in Davids Namen
gründen.
Doch das hatte Zeit.
In jener Nacht war ich nervös. Ich kochte mir einen Kakao, und
als ich auf den See schaute und einen Schluck trank, erinnerte ich mich an den
grauenvollen Tag, an dem ich erfahren hatte, dass David und Megan ermordet
worden waren …
12.
Ich hatte eine Woche in Philadelphia verbracht,
um einer Spur des Jüngers zu folgen, die sich letztendlich als wertlos erwies. Vom
Motel hatte ich David angerufen und ihm gesagt, dass ich am nächsten Tag, dem Thanksgiving
Day, am frühen Nachmittag zurückkehren würde und den Feiertag mit ihm
verbringen wollte. Ich hatte bis zu achtzehn Stunden am Tag gearbeitet und war
zu Tode erschöpft. Deshalb freute ich mich sehr auf David und Megan.
Als ich am nächsten Tag von Philly nach Hause fuhr, schlief
ich am Steuer ein. Ich erinnere mich nur noch, dass ich das laute Dröhnen einer
Hupe hörte, und als ich die Augen aufriss, sah ich einen silberfarbenen
Lastwagen auf mich zurasen. Ich riss das Lenkrad nach rechts, trat auf die
Bremse und hielt mit kreischenden Reifen. Meine Hände zitterten unkontrolliert.
Ich war dem Tod nur um Haaresbreite entronnen. Mein Wagen war auf die falsche
Straßenseite geschliddert.
Damit ich nicht noch einmal in eine solche Situation
geriet, fuhr ich an den Straßenrand, um ein Nickerchen zu machen. Ich klappte
den Sitz zurück, schloss die Augen und schlief drei Stunden tief und fest.
Als ich endlich zu Hause ankam, stand Davids Wagen nicht in
der Einfahrt. Ich betrat das Haus und konnte auch Megan nirgendwo entdecken.
Das Festessen für Thanksgiving, das sie vorbereitet hatten, siechte auf dem
Küchentisch dahin. Ich schaute im Atelier nach, aber auch dort war niemand. Ich
hob den Hörer ab und rief David auf dem Handy an, doch nur die Mailbox meldete
sich, und daran änderte sich den ganzen Nachmittag nichts. Als David und Megan
um sechs Uhr immer noch nicht nach Hause gekommen waren, machte ich mir Sorgen.
Es war nicht Davids Art, einfach zu verschwinden, ohne mich anzurufen. Ich konnte
es mir nur so erklären, dass er beschlossen hatte, einen Freund zu besuchen,
und dass sein Handy entweder nicht in Ordnung war oder dass er in einem
Funkloch steckte. Eine Stunde später rief Lou mich an. »Wo sind Sie, Kate?«
»Im Cottage. Ich warte auf David und Megan, aber ich weiß nicht,
wo die
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