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Der Jünger

Der Jünger

Titel: Der Jünger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Sala
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schnappte nach Luft. “Oh nein!”
    Sie rannte zu ihr hinüber und kniete sich neben die Matratze. Mutter Marys Haut glühte vor Fieber.
    January wandte sich zu ihrem Entführer um.
    “Sie hat hohes Fieber. Wir müssen sie unbedingt zu einem Arzt bringen.”
    “Nein. Nein. Wir gehen nirgendwohin”, erwiderte Jay. “Bete für sie. Das ist alles, was sie braucht, nur Gebete.”
    January sprang auf. Auf die Polizei zu warten, erschien ihr plötzlich zu gefährlich. Sie brauchte Hilfe für Mutter Mary T. – jetzt! Sie stürzte sich wutentbrannt auf Jay und verpasste ihm zwei kräftige Schläge, bevor er sie mit einem Fausthieb zu Boden schickte.
    Sein Schlag war hart und schmerzhaft, und sie schmeckte Blut, als sie sich wieder aufrappelte.
    “Gut”, sagte sie und ballte die Fäuste. “Du willst es auf die harte Tour. Das kann ich auch.”
    Wieder fiel sie über ihn her und erneut schlug er zurück.
    “Du solltest wissen, wo dein Platz ist, Frau!”, schrie er, als sie zu Boden fiel.
    January rollte sich auf die Knie und zog sich wieder hoch. Ein Riss über ihrem linken Auge begann zu bluten, ein weiterer auf ihrer Unterlippe, die anzuschwellen begann. Ein winziger Tropfen Blut lief aus ihrer Nase über ihre Lippe, und sie wischte ihn mit dem Ärmel weg.
    “Damit kommst du nicht durch”, sagte sie.
    Jay deutete auf die Nonne. “Wenn du mich noch einmal angreifst, wird sie dafür bezahlen.”
    January blieb stehen, dann legte sie den Kopf ein wenig schief, um nach Polizeisirenen zu lauschen, doch es war nichts zu hören.
    Das machte ihr Angst. Warum waren sie nicht schon hier? Wie lange konnte es denn dauern, sie aufzuspüren? Dann kam ihr ein entsetzlicher Gedanke. Was war, wenn die Sender nicht funktionierten? Wenn die Polizei überhaupt keine Ahnung hatte, wo sie sich befand?
    Sie blickte zu Mutter Mary T. hinunter, dann wieder zu Jay. Der Mann war nicht richtig im Kopf. Darüber bestand kein Zweifel. Wie ging man also mit einem Verrückten um?
    “Was willst du von mir?”, fragte sie.
    Jay schüttelte den Kopf, wie ein Hund, der sich das Wasser aus dem Fell schüttelte, dann griff er nach ihrem Handgelenk. Diesmal nicht nur fest, sondern schmerzhaft, nur ließ sich January das nicht anmerken. Sie hatte viel zu viel Angst davor, zu sterben.
    “Komm mit”, sagte Jay. “Du sollst meine Jünger kennenlernen. Sie werden viele Fragen an dich haben. Du wirst ihnen versichern, dass alles in Ordnung ist.”
    Sie erwiderte nichts darauf.
    Jay riss an ihrem Arm. “Hast du mich verstanden?”, rief er.
    January nickte.
    “Wir gehen zum anderen Ende des Gebäudes”, sagte er. “Und wenn wir dort ankommen, erwarte ich von dir, dass du lächelst. Wenn du wegläufst, wird Mutter leiden.”
    Sie nickte und blinzelte ein paar Tränen weg, während er sie aus dem Raum zog. Unterwegs konnte January zwischen ein paar fehlenden Dachlatten den Himmel erkennen, außerdem ein paar Tauben, die in den Balken über ihnen hockten. Überall auf dem Boden gab es Anzeichen, dass hier Ratten hausten und noch andere Bewohner – Obdachlose – einmal lange genug campiert hatten, um ein wärmendes Feuer anzuzünden.
    Sie wunderte sich, wie er es geschafft hatte, unentdeckt zu bleiben. Doch dann wurde ihr klar, dass sie überhaupt nicht wusste, wo sie sich befanden. Sie hatte einfach angenommen, dass sie sich noch innerhalb von D.C. aufhielten, aber sie konnten genauso gut auch etliche Kilometer von der Stadt entfernt sein.
    “Wir sind fast da”, sagte er und zeigte auf etwas am Ende des Ganges, das wie ein riesiger Hochofen aussah. “Du weißt noch, was ich gesagt habe, oder? Kein Streit mit mir, sonst wird Mutter Mary bezahlen.”
    “Ja, ich weiß es noch”, erwiderte sie.
    Als sie sich bis auf wenige Meter dem Eingang genähert hatten, blieb January stehen.
    “Komm schon”, sagte Jay. “Es ist nicht mehr weit.”
    Doch January war alarmiert. “Was ist das für ein Geruch?”, wollte sie wissen und merkte, dass sie instinktiv geflüstert hatte.
    “Nichts von Bedeutung”, behauptete er. “Jetzt komm schon.”
    Sie blieb trotzdem stehen.
    “Ich glaube, mir wird schlecht”, sagte sie.
    Er umklammerte ihr Handgelenk noch fester. “Ich denke nicht”, warnte er sie. “Jetzt beweg dich.”
    January drehte sich der Magen um, als sie weitergezogen wurde. In ihrem Nacken kribbelte es, als würden Hunderte von Ameisen über jeden Zentimeter ihrer Haut kriechen, und sie verspürte einen starken Drang, auf die Toilette zu

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