Der Jünger
Dröhnen in seinen Ohren wurde noch schlimmer.
“Das habe ich nicht gesagt.” Er sackte auf den Boden der Telefonzelle, weil seine Beine nachgaben.
“Doch, das haben Sie”, beharrte January. “Warum war Bart Scofield der Falsche?”
“Ich weiß nicht, wovon Sie reden”, entgegnete Carpenter und fragte sich, ob er das war, den er da jammern hörte. “Ich habe angerufen, um Ihnen zu sagen, dass Sie nicht mehr nach mir suchen sollen. Sie verderben alles.”
January bemerkte, dass mit dem Mann etwas nicht stimmte. Seine Stimme zitterte und er sprach schleppend. “Was verderben? Was tun Sie denn?”
“Mich erretten. Warum können Sie das nicht verstehen? Ich trete in seine Fußstapfen.”
“In wessen Fußstapfen?”
“Seine!”, schrie Carpenter, dann begann er sich dort, wo er saß, hin und her zu werfen, ohne zu bemerken, dass er bei jeder Rückwärtsbewegung mit dem Kopf gegen die Zellenwand schlug. “Ich muss es tun. Ich muss es tun. Ich kann nicht zurückgehen. Nicht dahin. Nie wieder.”
“Wohin gehen?”, fragte January.
“In die Hölle. Verstehen Sie nicht? Ich kann nicht zurück.”
“Ich will nicht über die Hölle reden. Ich möchte, dass Sie mir sagen, wo sich die anderen Männer befinden. Haben Sie die auch getötet, wie Bart Scofield?”
“Seien Sie ruhig!”, schrie er. “Sagen Sie das nicht! Sie verstehen das alles gar nicht.”
“Dann erklären Sie es mir”, bat ihn January. “Bitte.”
Jemand klopfte an die Tür der Telefonzelle. Carpenter blinzelte und sah hoch. Zwei junge schwarze Frauen starrten von draußen auf ihn hinunter. Er rappelte sich auf.
“Hören Sie einfach auf. Ich warne Sie”, murmelte er, dann hängte er auf und taumelte nach draußen.
Während er eine der beiden Frauen anrempelte, hielt er sich den Kopf.
“He, Mister, alles in Ordnung?”, fragte sie.
Carpenter umfasste seinen Kopf mit beiden Händen, als würde er ihm vom Hals fallen, wenn er losließe. “Gott ist mit mir”, sagte er und taumelte zu seinem Taxi.
“Das ist gut zu wissen”, bemerkte die andere der beiden. “Ich habe mich nämlich schon gefragt, wo zum Teufel er abgeblieben ist.”
“Sei ruhig. Das ist Blasphemie”, entgegnete ihre Freundin.
“Wirf mir bloß keine Worte an den Kopf, die du nicht mal buchstabieren kannst”, erwiderte die Erste.
Das war das Letzte, was Carpenter hörte, bevor er ins Taxi einstieg und wegfuhr.
January zitterte, als sie den Hörer auflegte. Sie hatte keine Ahnung, wie der Mann, der sie gerade angerufen hatte, aussah. War es der Gleiche, den sie damals im Regen und danach im Park gesehen hatte? Sie wusste es nicht und konnte nichts beweisen. Sie wusste nicht einmal sicher, ob er der Mann war, der sich “der Sünder” nannte. Obwohl er ungewollt zugegeben hatte, über Bart Scofields Tod Bescheid zu wissen, hatte er sich nicht direkt schuldig bekannt.
Doch sie konnte das, was eben geschehen war, nicht einfach ignorieren. Aber was sollte sie unternehmen? Es der Polizei melden? Was konnte sie denen denn sagen?
Unwillkürlich dachte sie an Ben North. Vielleicht konnte sie ihn inoffiziell davon unterrichten. Er würde einschätzen können, ob diese beiden Anrufe von Bedeutung waren.
Ja. Zumindest das musste sie tun.
Sie griff nach dem Telefon, dann fiel ihr ein, dass sie Bens Nummer nicht kannte, auch nicht die private oder die von seinem Handy. Nachdem sie ihn ohne Erfolg im Telefonbuch gesucht hatte, wurde ihr klar, dass sie sein Revier anrufen und eine Nachricht für ihn hinterlassen musste, was ihr überhaupt nicht gefiel. In ihrem Job war es ein Muss, objektiv zu bleiben. Eine persönliche Beziehung zu einem Cop, egal wie locker sie auch war, konnte sie beide in eine prekäre Lage bringen. Trotzdem durfte sie diese Information über einen Mordfall nicht für sich behalten. Bevor sie es sich wieder anders überlegen konnte, griff sie nach dem Telefon.
Es war schon fünf nach eins, als Ben und Rick endlich die Gelegenheit bekamen, eine Mittagspause einzulegen. Ben war dafür, irgendetwas von einem Drive-In zu holen und dann weiter an einer Spur im Mordfall Scofield zu arbeiten. Ein Taxiunternehmen hatte ein illegales Taxi gemeldet, das einen ihrer Fahrgäste weggeschnappt hatte. Aber Rick wollte nicht im Wagen essen.
“Wohin dann?”, fragte Ben, als sie an einer Kreuzung warteten, bis es Grün wurde.
Rick lehnte sich über das Lenkrad und deutete auf ein Chinarestaurant auf der anderen Seite.
Ben drehte sich der Magen um.
“Du
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