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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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nichts«, schloß Wassin seinen Bericht. »Lidija Achmakowa starb ungefähr vierzehn Tage nach ihrer Entbindung; was da vorgegangen ist, weiß ich nicht. Der Fürst, der eben erst aus Paris zurückgekehrt war, erfuhr, daß ein Kind da war, und glaubte anscheinend zuerst nicht, daß es von ihm sei ... Überhaupt wird diese Geschichte sogar heute noch von allen Seiten geheimgehalten.«
    »Aber was ist dieser Fürst für ein Mensch!« rief ich empört. »Was für ein Benehmen gegen ein krankes Mädchen!«
    »Sie ist damals noch nicht so krank gewesen ... Außerdem hat sie ihn nachher selbst von sich gewiesen ... Allerdingshat er sich vielleicht übermäßig beeilt, von dem ihm erteilten Abschied Gebrauch zu machen.«
    »Sie verteidigen einen solchen Schurken noch?«
    »Nein, ich nenne ihn nur nicht einen Schurken. Dabei wirkt noch vieles andere mit, außer der reinen Schurkerei. Überhaupt ist das eine recht gewöhnliche Sache.«
    »Sagen Sie mal, Wassin, haben Sie ihn näher gekannt? Ich würde sehr gern hinsichtlich eines Punktes, der mich sehr nahe angeht, Ihre Meinung hören und mich auf sie verlassen.«
    Aber hierauf gab Wassin eine überaus zurückhaltende Antwort. Er sagte, daß er den Fürsten kenne, aber unter welchen Umständen er mit ihm bekannt geworden sei, darüber schwieg er mit offenkundiger Absicht. Ferner teilte er mir mit, der Fürst verdiene wegen seines Charakters eine etwas nachsichtige Beurteilung. »Er ist voll ehrenhafter Bestrebungen und Gefühle, besitzt aber weder Überlegung noch Willenskraft, um seine Begierden hinreichend zu beherrschen. Er ist ein Mensch ohne Bildung; eine Menge von Ideen und Erscheinungen gehen über seine Kraft, aber dennoch stürzt er sich auf sie. Er wird Ihnen zum Beispiel aus freien Stücken einen Gedanken folgender Art vortragen: ›Ich bin ein Fürst und stamme von Rurik ab, aber warum soll ich nicht Schustergeselle werden, wenn ich mir mein Brot verdienen muß und zu keiner anderen Arbeit tauge? Auf meinem Aushängeschild wird dann stehen: »Fürst Soundso, Schuhmacher«, das ist sogar vornehm.‹ Er wird es sagen und, was die Hauptsache ist, es auch tun«, fügte Wassin hinzu, »aber dabei handelt es sich bei ihm ganz und gar nicht um eine kräftige Überzeugung, sondern nur um die leichtfertigste Impulsivität. Dafür stellt sich später unfehlbar die Reue ein, und dann ist er immer bereit, in das ganz entgegengesetzte Extrem zu verfallen; diese Schwankungen füllen sein ganzes Leben aus. In unserem Zeitalter sind viele Leute auf diese Art in üble Lage geraten«, schloß Wassin, »eben weil sie in unserem Zeitalter geboren sind.«
    Ich wurde unwillkürlich nachdenklich.
    »Ist es wahr, daß er seinerzeit aus seinem Regiment ausgestoßen worden ist?« fragte ich.
    »Ich weiß nicht, ob er ausgestoßen wurde, aber er verließ das Regiment tatsächlich, weil er Unannehmlichkeiten hatte. Ist es Ihnen bekannt, daß er im Herbst vorigen Jahres, gleich nach seiner Verabschiedung, sich zwei oder drei Monate in Luga aufgehalten hat?«
    »Ich ... ich weiß, daß Sie damals in Luga wohnten.«
    »Ja, eine Zeitlang wohnte auch ich da. Der Fürst war ebenfalls mit Lisaweta Makarowna bekannt.«
    »Ja? Das wußte ich nicht. Ich muß gestehen, ich habe so wenig mit meiner Schwester gesprochen ... Aber hat er denn wirklich im Hause meiner Mutter verkehrt?« rief ich.
    »O nein; es war nur eine entfernte Bekanntschaft, durch eine dritte Familie.«
    »Ja, was hat mir doch meine Schwester von diesem Kind gesagt? War dieses Kind etwa auch in Luga?«
    »Ja, einige Zeit.«
    »Und wo ist es jetzt?«
    »Sicherlich in Petersburg.«
    »Nie in meinem Leben werde ich das glauben«, rief ich in größter Aufregung, »daß meine Mutter an der Geschichte mit dieser Lidija auch nur im geringsten beteiligt gewesen ist!«
    »Bei dieser Geschichte hat, abgesehen von all diesen Intrigen, deren Aufklärung ich nicht unternehme, Wersilows Rolle eigentlich nichts besonders Tadelnswertes gehabt«, bemerkte Wassin mit einem nachsichtigen Lächeln. Es war ihm anscheinend peinlich, mit mir zu reden, er wollte es sich aber nicht anmerken lassen.
    »Niemals, niemals werde ich glauben«, rief ich wieder, »daß eine Frau es fertigbekommt, ihren Mann einer andern Frau abzutreten, das glaube ich nicht! ... Ich schwöre Ihnen, daß meine Mutter nicht daran beteiligt gewesen ist!«
    »Es scheint aber doch, daß sie nichts dagegen gesagt hat.«
    »Ich hätte an ihrer Stelle schon aus Stolz nichts dagegen

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