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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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inne und seien irgendwoher aus der Provinz gekommen; ihr Zimmerchen sei außerordentlich klein, und aus allem sei zu entnehmen, daß sie sehr arm seien und nun dasäßen und auf etwas warteten. Er wußte nicht, daß die Junge sich in den Zeitungen als Lehrerin angeboten hatte, aber er hatte gehört, daß Wersilow zu ihnen gekommen war; das war in seiner Abwesenheit geschehen, und die Wirtin hatte es ihm mitgeteilt. Die Nachbarinnen hielten sich vielmehr, wie er sagte, von allen Menschen fern, sogar von der Wirtin. In den allerletzten Tagen habe auch er bemerkt, daß bei ihnen tatsächlich etwas nicht in Ordnung sei; aber solche Szenen wie heute hätten noch nicht stattgefunden. Dieses unser ganzes Gespräch über die Nachbarinnen erwähne ich im Hinblick auf das Folgende; bei den Nachbarinnen selbst, hinter derTür, herrschte zu dieser Zeit Totenstille. Mit besonderem Interesse hörte Wassin, daß Stebelkow es als unumgänglich notwendig bezeichnet habe, über die Nachbarinnen mit der Wirtin zu sprechen, und zweimal wiederholt habe: »Sie werden sehen, Sie werden sehen!«
    »Und Sie werden sehen«, fügte Wassin hinzu, »daß ihm das nicht ohne Grund in den Kopf gekommen ist, er hat in solchen Dingen einen sehr scharfen Blick.«
    »Also müßte man Ihrer Meinung nach der Wirtin raten, sie hinauszusetzen?«
    »Nein, ich meine das nicht in dem Sinne, daß sie hinausgesetzt werden sollten, aber man muß aufpassen, damit da nicht eine üble Geschichte passiert ... Übrigens haben solche Geschichten, auf die eine oder andere Weise, doch immer ein Ende ... Lassen wir dieses Thema!«
    Über Wersilows Besuch bei den Nachbarinnen weigerte er sich entschieden ein Urteil abzugeben.
    »Es ist alles möglich; der Mensch hat eben Geld in seiner Tasche gefühlt ... Übrigens ist auch das wahrscheinlich, daß er einfach ein Almosen gegeben hat; das entspricht seinen Gewohnheiten aus früherer Zeit und vielleicht auch seinen Neigungen.«
    Ich erzählte ihm, daß Stebelkow vorher von einem Säugling geredet habe.
    »Stebelkow irrt sich in diesem Punkt vollständig«, sagte Wassin mit besonderem Ernst und mit besonderem Nachdruck (auch das hat sich meinem Gedächtnis sehr gut eingeprägt). »Stebelkow«, fuhr er fort, »vertraut manchmal zu sehr auf seinen praktischen Verstand und zieht dann eilfertig Schlüsse, wie sie seiner allerdings oft recht scharfsinnigen Logik entsprechen; indes kann ein Vorgang in Wirklichkeit ein weit phantastischeres und überraschenderes Kolorit haben, wenn man die handelnden Personen in Betracht zieht. So ist es auch hier gegangen: zum Teil kennt er die Sache und hat nun den Schluß gezogen, daß Wersilow der Vater des Kindes sei; und doch ist das Kind nicht von Wersilow.«
    Ich setzte ihm mit Bitten zu, und da erfuhr ich zu meinem größten Erstaunen folgendes: der Vater des Kindes war Fürst Sergej Sokolskij. Lidija Achmakowa hatte, sei es infolgeihrer Krankheit oder einfach infolge ihres phantastischen Wesens, manchmal wie eine Irrsinnige gehandelt. Sie hatte sich, noch vor ihren Beziehungen zu Wersilow, in den Fürsten verliebt, und der Fürst »trug kein Bedenken, ihre Liebe anzunehmen«, wie Wassin sich ausdrückte. Dieses Verhältnis dauerte nur ganz kurze Zeit; wie schon bekannt ist, entzweiten sie sich; und Lidija wies den Fürsten von sich, »worüber dieser, wie es scheint, froh war«. »Sie war ein sehr sonderbares Mädchen«, fügte Wassin hinzu, »sehr möglich sogar, daß sie nicht immer ihren vollen Verstand hatte.« Aber als der Fürst nach Paris abreiste, hatte er keine Ahnung davon, in welchem Zustand er sein Opfer zurückließ, und er blieb darüber bis zum Schluß, bis zu seiner Rückkehr, in Unkenntnis. Wersilow, der der Freund der jungen Person geworden war, bot ihr an, sie zu heiraten; namentlich im Hinblick auf ihren deutlicher werdenden Zustand (von dem, wie es scheint, auch die Eltern fast bis zuletzt nichts ahnten). Das verliebte Mädchen war ganz entzückt von diesem Antrag und »sah darin nicht nur einen Akt der Aufopferung«, die sie übrigens ebenfalls zu schätzen wußte. »Übrigens verstand er natürlich, die Sache zu regeln«, fügte Wassin hinzu. Das Kind, ein Mädchen, wurde einen Monat oder sechs Wochen vor dem richtigen Termin geboren und zunächst irgendwo in Deutschland untergebracht; dann aber nahm Wersilow es von dort wieder weg, und es befindet sich jetzt irgendwo in Rußland, vielleicht in Petersburg.
    »Aber die Phosphorzündhölzer?«
    »Davon weiß ich

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