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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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sogleich, wie sich die Sache verhielt.
    »Ach! Ich habe schon vor längerer Zeit von Ihnen gehört ...«, sagte er schnell. »Ich hatte das außerordentliche Vergnügen, im vorigen Jahre in Luga die Bekanntschaft Ihrer Schwester Lisaweta Makarowna zu machen... Sie hat mir ebenfalls von Ihnen erzählt...«
    Ich war ganz erstaunt: auf seinem Gesicht strahlte eine durchaus aufrichtige Freude.
    »Erlauben Sie, Fürst«, sagte ich stockend, während ich meine beiden Hände auf den Rücken legte, »ich muß Ihnen aufrichtig sagen - und es freut mich, daß ich es Ihnen in Gegenwart unseres lieben Fürsten sagen kann -, daß ich sogar den Wunsch hatte, mit Ihnen zusammenzutreffen; und zwar hatte ich diesen Wunsch noch kürzlich, erst gestern noch, aber freilich in einer ganz anderen Absicht. Ich sage das geradeheraus, mögen Sie sich auch noch sosehr darüber wundern. Kurz, ich wollte Sie wegen der Beleidigung, die Sie vor anderthalb Jahren Wersilow in Ems zugefügt haben, zum Duell fordern. Und obwohl ich mir natürlich sagte, daß Sie meine Forderung vielleicht nicht annehmen würden, weil ich eben erst das Gymnasium verlassen habe und noch ein junger Mensch bin, so hätte ich die Forderung dennoch an Sie gerichtet, ganz gleich, wie Sie sie aufgenommen und was Sie darauf getan hätten... und ich muß gestehen, ich habe auch jetzt noch dieselbe Absicht.«

III
     
    Der alte Fürst sagte mir später, es sei mir gelungen, das in einer höchst edlen Weise herauszubringen.
    Aufrichtiger Schmerz prägte sich auf dem Gesicht des Fürsten aus.
    »Sie haben mich nur nicht ausreden lassen«, sagte er mit Wärme. »Wenn ich mich mit Worten, die mir aus der Seele kamen; an Sie wandte, so waren gerade meine jetzigen Gefühle für Andrej Petrowitsch der Grund dazu. Es tut mir leid, daß ich Ihnen nicht sofort alle näheren Umstände mitteilen kann, aber ich versichere Ihnen auf mein Ehrenwort, daß ich an mein unglückseliges Benehmen in Ems schon längst mit der tiefsten Reue zurückdenke. Als ich mich jetzt nach Petersburg aufmachte, beschloß ich, Andrej Petrowitsch jede nur mögliche Genugtuung zu geben, das heißt, ihn buchstäblich geradezu um Verzeihung zu bitten, in der Form, die er selbst bestimmen wird. Höhere, mächtige Einwirkungen sind die Ursache dieser Änderung meiner Anschauung gewesen. Der Umstand, daß wir miteinander prozessierten, hätte auf meinen Entschluß nicht den geringsten Einfluß gehabt. Aber sein gestriges Verhalten mir gegenüber hat sozusagen meine Seele erschüttert, und ob Sie es glauben oder nicht, selbst in diesem Augenblick bin ich noch nicht recht zu mir gekommen. Und nun muß ich Ihnen mitteilen – ich bin auch zum Fürsten gerade in der Absicht gekommen, ihm von einem ungewöhnlichen Ereignis Mitteilung zu machen: vor drei Stunden, also genau zu der Zeit, wo er mit unserem Rechtsanwalt das Dokument abfaßte, erschien bei mir ein Bevollmächtigter von Andrej Petrowitsch und überbrachte mir eine Forderung von ihm ... eine formelle Forderung wegen des Vorfalls in Ems ...«
    »Er hat Sie gefordert?« rief ich und fühlte, daß mir die Augen zu brennen anfingen und das Blut mir ins Gesicht strömte.
    »Ja, er hat mich gefordert; ich nahm die Forderung sofort an, beschloß aber, ihm noch vor dem Duell einen Brief zu schicken, in dem ich ihm meine Ansicht über mein Benehmen darlege und meine tiefe Reue wegen dieses schrecklichen Irrtums ausspreche... denn es ist nur ein Irrtum gewesen, ein unglückseliger, verhängnisvoller Irrtum. Ich möchte noch bemerken, daß ich bei meiner Stellung im Regiment befürchten mußte, durch diesen Schritt in eine mißliche Lage zu geraten: denn durch einen solchen Brief vor dem Duell setzte ich mich der Gefahr aus, von der öffentlichen Meinung verurteilt zu werden... Sie verstehen? Aber trotzdem entschloß ich mich dazu und bin nur nicht dazu gekommen, den Brief abzusenden, weil ich eine Stunde nach der Forderung von ihm wieder ein Billett erhielt, in dem er mich bittet, ihm die Störung zu verzeihen und die Forderung zu vergessen, und hinzufügt, er bereue diese ›momentane Anwandlung einer schwächlichen, selbstsüchtigen Gesinnung‹; das sind seine eigenen Worte. Auf diese Weise hat er mir nun den beabsichtigten Schritt mit dem Brief außerordentlich erleichtert. Ich habe ihn noch nicht abgeschickt, bin aber gerade in der Absicht hergekommen, mit dem Fürsten ein paar Worte über diese Angelegenheit zu reden... Und glauben Sie mir: ich selbst habe unter den

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