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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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als ich ihm vorher geradeheraus erklärt hatte, daß ich ihn zum Duell fordern wolle. Wenn ich auch verstanden hatte, mich so zu benehmen, daß ihm das Lachen vergehen mußte, so war das doch von einem Menschen seiner Art merkwürdig. Wir setzten uns mitten im Zimmer an seinem riesigen Schreibtisch einander gegenüber, und er gab mir seinen schon fertigen und ins reine geschriebenen Brief an Wersilow zum Durchlesen. Der Inhalt dieses Schriftstückes stimmte mit dem überein, was er mir vorher bei meinemFürsten gesagt hatte; es war sogar mit leidenschaftlicher Hitze geschrieben. Von dieser seiner augenscheinlichen Offenherzigkeit und Bereitwilligkeit zu allem Guten wußte ich allerdings noch nicht endgültig, wie ich sie auffassen sollte, aber ich begann schon willfährig zu werden, denn in der Tat, warum sollte ich nicht daran glauben? Was für ein Mensch er auch sein und was man auch von ihm erzählen mochte, er konnte darum doch gute Neigungen haben. Ich sah auch Wersilows letztes, aus sieben Zeilen bestehendes Billett, die Zurückziehung der Forderung. Wenngleich er wirklich darin etwas von seiner »schwächlichen, selbstsüchtigen Gesinnung« schrieb, so atmete das ganze Billett doch einen gewissen Hochmut... oder, richtiger gesagt, in diesem ganzen Vorgehen sprach sich eine gewisse Geringschätzung aus. Ich äußerte das übrigens nicht.
    »Wie sehen Sie aber diese Zurückziehung der Forderung an?« fragte ich. »Sie glauben doch wohl nicht, daß er Angst bekommen hat?«
    »Gewiß nicht«, erwiderte der Fürst lächelnd, aber das Lächeln machte einen sehr ernsten Eindruck, wie denn überhaupt seine Miene immer sorgenvoller wurde. »Ich weiß sehr wohl, daß er ein mutiger Mann ist. Hier liegt natürlich eine besondere Anschauungsweise vor ... eine eigenartige Gemütsstimmung...«
    »Ohne Zweifel«, unterbrach ich ihn eifrig. »Ein gewisser Wassin sagt, in seinem Vorgehen mit jenem ans Licht gekommenen Brief und mit dem Verzicht auf die Erbschaft erkenne man den Wunsch, sich auf ein »Piedestal« zu stellen ... Meiner Meinung nach führt niemand solche Taten aus, um damit zu prunken, sondern sie entspringen aus dem tiefsten Innern des Menschen.«
    »Ich kenne Herrn Wassin sehr gut«, bemerkte der Fürst.
    »Ach ja, Sie müssen ihn ja in Luga gesehen haben.«
    Wir sahen einander plötzlich an, und ich erinnere mich, daß ich ein bißchen rot wurde. Wenigstens brach er das Gespräch ab. Ich hatte übrigens große Lust, es weiter fortzusetzen. Der Gedanke an eine Begegnung, die ich am vorhergehenden Tag gehabt hatte, erregte in mir den Wunsch, ihm einige Fragen vorzulegen; ich wußte nur nicht recht, wie ich dabei zu Werke gehen sollte. Und überhaupt fühlteich mich nicht sehr behaglich. Es frappierte mich auch seine erstaunliche Wohlerzogenheit und Höflichkeit und die Ungezwungenheit seines Benehmens, kurz, diese ganze glänzende Politur, die diese Leute beinahe schon in der Wiege annehmen. In seinem Brief hatte ich zwei recht grobe grammatische Fehler gefunden. Überhaupt benehme ich mich bei solchen Begegnungen nie unterwürfig, sondern werde absichtlich schroff, was manchmal vielleicht töricht ist. Aber im gegenwärtigen Fall trug dazu besonders noch der Gedanke bei, daß ich Federchen auf dem Rock hatte, so daß ich sogar ein paarmal ausrutschte und zu familiär wurde ... Ich bemerkte still für mich, daß der Fürst mich mitunter sehr aufmerksam musterte.
    »Sagen Sie mal, Fürst«, platzte ich auf einmal mit einer Frage heraus, »finden Sie es nicht im stillen lächerlich, daß ich, der ich noch ein solcher »Milchbart« bin, Sie zum Duell fordern wollte, und noch dazu wegen einer fremden Beleidigung?«
    »Durch eine dem Vater angetane Beleidigung kann man sich sehr wohl beleidigt fühlen. Nein, ich finde es nicht lächerlich.«
    »Aber mir scheint doch, daß es furchtbar lächerlich ist ... von einem andern Standpunkt aus ... das heißt, selbstverständlich nicht von meinem eigenen. Um so mehr, als ich ein Dolgorukij bin und kein Wersilow. Aber wenn Sie mir hierin, um mich freundlich zu stimmen, oder aus weltmännischem Anstand die Unwahrheit sagen, so täuschen Sie mich wohl auch in allem übrigen?«
    »Nein, ich finde es nicht lächerlich«, wiederholte er ganz ernst. »Es ist doch nur natürlich, daß Sie das Blut Ihres Vaters in sich fühlen ... Sie sind freilich noch zu jung, denn ... ich weiß nicht ... ich glaube, wer noch nicht die Volljährigkeit erreicht hat, darf sich nicht schlagen, und man

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