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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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...«
    »Gestern abend schloß ich aus einer Ihrer Bemerkungen, daß Sie die Frauen nicht verstehen, und freute mich, daß ich Sie bei einem solchen Mangel ertappt hatte. Und vorhin, als ich Sie bei einer falschen Würdigung des Ausdrucks ›Debüt‹ erwischte – da freute ich mich wieder furchtbar, und das alles deswegen, weil ich selbst Sie damals gelobt hatte.«
    »Ja, warum denn aber auch nicht?« rief Wassin endlich (er hatte immerzu gelächelt, ohne sich über mich im geringsten zu wundern). »Das kommt ja fortwährend vor, fast bei allen Menschen, und ist etwas ganz Gewöhnliches, nur gesteht es niemand ein, und es ist auch gar nicht nötig, daß man es eingesteht, weil dieses Gefühl in jedem Falle vorübergeht und keine weiteren Folgen hat.«
    »Ist es wirklich bei allen Menschen so? Sind alle Menschen von der Art? Und Sie sagen das mit solcher Seelenruhe? Aber mit einer solchen Anschauung kann man doch nicht leben!«
    »Nach Ihrer Meinung müßte es heißen:
    ›Den Irrtum, dessen Trug zum Himmel mich entzückt,
Zieh ich der Wahrheit vor, die mich zu Boden drückt‹?«
    »Aber das ist ja doch wahr!« rief ich. »In diesen zwei Versen liegt ja ein heiliges Lebensprinzip beschlossen!«
    »Ich weiß nicht; ich möchte nicht entscheiden, ob diese beiden Verse die Wahrheit sagen oder nicht. Wahrscheinlich liegt die Wahrheit wie überall irgendwo in der Mitte: das heißt, in einem Fall ist es heilige Wahrheit und in einem anderen Unwahrheit. Mit Sicherheit weiß ich nureines: daß dieser Gedanke noch lange einer der wichtigsten Streitpunkte unter den Menschen sein wird. Jedenfalls bemerke ich, daß Sie jetzt Lust haben zu tanzen. Nun schön, dann tanzen Sie doch: Bewegung ist gesund, und mir hat man gerade heute vormittag furchtbar viel Arbeit aufgepackt ... und ich habe mich mit Ihnen schon zu lange aufgehalten!«
    »Ich gehe, ich gehe, ich mache, daß ich fortkomme! Nur noch ein Wort!« rief ich, indem ich schon nach meinem Koffer griff. »Wenn ich mich jetzt eben Ihnen wieder ›an den Hals geworfen‹ habe, so habe ich das nur deshalb getan, weil Sie mir, als ich hereinkam, mit so aufrichtigem Vergnügen dieses Ereignis mitteilten und ›sich freuten‹, daß ich Sie noch zu Hause getroffen hatte, und noch dazu nach der Geschichte von vorhin mit dem ›Debüt‹; durch dieses aufrichtige Vergnügen haben Sie mit einem Schlag mein ›junges Herz‹ wieder zu Ihren Gunsten umgestimmt. Na, leben Sie wohl, leben Sie wohl; ich werde mich bemühen, möglichst lange nicht wieder herzukommen, und weiß, daß Ihnen das sehr angenehm sein wird; das sehe ich Ihnen sogar an den Augen an, und das wird sogar für uns beide vorteilhaft sein ...«
    Während ich so schwatzte und mich vor Eifer und Freude fast verschluckte, schleppte ich meinen Koffer hinaus und begab mich dann mit ihm nach meiner neuen Wohnung. Vor allem gefiel mir sehr, daß Wersilow vorhin zweifellos auf mich böse gewesen war und weder mit mir hatte reden noch mich ansehen wollen. Nachdem ich meinen Koffer hintransportiert hatte, eilte ich gleich zu meinem alten Fürsten. Ich muß gestehen, es war mir diese zwei Tage über ordentlich schwergefallen, den Verkehr mit ihm entbehren zu müssen. Auch über Wersilow hatte er gewiß schon etwas gehört.

II
     
    Ich hatte es ja gewußt, daß er sich über mein Kommen ungeheuer freuen würde, und ich versichere, daß ich auch ohne die Wersilowsche Sache an diesem Tag zu ihm gegangen wäre. Es hatte mich an diesem und dem vorhergehenden Tag nur der Gedanke geängstigt, ich könntedort am Ende mit Katerina Nikolajewna zusammentreffen; aber jetzt fürchtete ich mich vor nichts mehr.
    Er umarmte mich voller Freude.
    »Nun, und Wersilow! Haben Sie es schon gehört?« fing ich direkt mit der Hauptsache an.
    »Cher enfant, mein lieber Freund, das ist so großartig, das ist so edel – kurz, sogar auf Kilian« (das war der Beamte unten) »hat es einen erschütternden Eindruck gemacht! Es ist ja unverständig von seiner Seite, aber eine glänzende Sache, eine große Tat! Den Idealismus muß man bewundern!«
    »Nicht wahr? Nicht wahr? Darin sind wir beide, Sie und ich, immer einer Meinung gewesen.«
    »Mein Lieber, wir beide sind immer einer Meinung gewesen. Wo warst du denn so lange? Ich wäre bestimmt selbst zu dir gefahren, aber ich wußte nicht, wo du zu finden warst... Denn zu Wersilow konnte ich doch nicht kommen... Jetzt allerdings, nach allem, was geschehen ist... Weißt du, mein Freund: gerade durch solche

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