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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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erblaßt. Sowie ich innehielt, streckte sie die Hand vor und sagte in bittendem, aber doch ausgeglichenem Ton:
    »So darf man nicht sprechen ... so zu sprechen ist nicht möglich...«
    Und plötzlich erhob sie sich von ihrem Platz und griff ohne Hast nach ihrem Halstuch und nach ihrem Zobelmuff.
    »Sie gehen?« rief ich.
    »Ich fürchte mich wirklich vor Ihnen ... Sie mißbrauchen diese Gelegenheit ...«, sagte sie in gedehntem Ton anscheinend bedauernd und vorwurfsvoll.
    »Hören Sie mich an; bei Gott, ich werde keine Wand einreißen!«
    »Sie haben ja schon angefangen«, erwiderte sie; sie konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. »Ich weiß nicht einmal, ob Sie mich werden vorbeigehen lassen.« Sie schien geradezu zu fürchten, ich würde sie nicht hinauslassen.
    »Ich werde Ihnen selbst die Tür öffnen, Sie können gehen, aber wissen Sie: ich habe einen gewaltigen Entschluß gefaßt; und wenn Sie Licht in meine Seele bringen wollen, so kehren Sie wieder um, setzen Sie sich hin, und hören Sie nur noch zwei Worte von mir! Aber wenn Sie das nicht wollen, so gehen Sie, und ich werde Ihnen selbst die Tür öffnen!«
    Sie sah mich an und setzte sich wieder auf ihren Platz.
    »Mit welcher Entrüstung wäre eine andere weggegangen, aber Sie haben sich wieder hingesetzt!« rief ich entzückt.
    »Sie haben sich früher nie erlaubt, so zu mir zu sprechen.«
    »Ich bin früher immer schüchtern gewesen. Auch als ich jetzt hier hereinkam, wußte ich nicht, was ich sagen sollte. Sie denken, ich sei jetzt nicht schüchtern? Ich bin schüchtern. Aber ich habe plötzlich einen gewaltigen Entschluß gefaßt und fühle, daß ich ihn ausführen werde. Und als ich diesen Entschluß gefaßt hatte, da verlor ich sogleich den Verstand und begann alles dies zu reden ... Hören Sie, was ich sagen wollte: bin ich ein Spion, der Sie belauert, oder nicht? Antworten Sie mir – das ist meine Frage!«
    Ihr Gesicht wurde von einer dunklen Röte übergossen.
    »Antworten Sie noch nicht, Katerina Nikolajewna, sondern hören Sie erst alles, und sagen Sie dann die volle Wahrheit!«
    Ich hatte mit einemmal alle Zäune zerbrochen und stürmte ins Freie hinaus.

II
     
    »Vor zwei Monaten stand ich hier hinter der Portiere ... Sie wissen es ja ... und Sie sprachen mit Tatjana Pawlowna über einen Brief. Ich kam hervorgestürzt, und außermir, wie ich war, sagte ich mehr, als ich hätte sagen sollen. Sie verstanden sofort, daß ich etwas wußte ... Sie mußten es verstehen ... Sie suchten ein wichtiges Schriftstück und waren deswegen in Sorge ... Warten Sie, Katerina Nikolajewna, beherrschen Sie sich noch und sagen Sie noch nichts! Ich erkläre Ihnen, daß Ihr Verdacht begründet war: dieses Schriftstück existiert ... das heißt, es war vorhanden ... ich habe es gesehen; es war Ihr Brief an Andronikow, nicht wahr?«
    »Sie haben diesen Brief gesehen?« fragte sie schnell in sichtlicher Verwirrung und Aufregung. »Wo haben Sie ihn gesehen?«
    »Ich habe ihn ... ich habe ihn bei Krafft gesehen ... bei dem, der sich erschossen hat ...«
    »Wirklich? Sie haben den Brief wirklich selbst gesehen? Was ist aus ihm geworden?«
    »Krafft hat ihn zerrissen.«
    »In Ihrer Gegenwart? Haben Sie es gesehen?«
    »Ja, in meiner Gegenwart. Er zerriß ihn wahrscheinlich im Hinblick auf seinen Tod ... Ich wußte ja damals nicht, daß er sich erschießen würde ...«
    »Also ist er vernichtet, Gott sei Dank!« sagte sie langsam, sie atmete tief auf und bekreuzigte sich.
    Ich hatte sie nicht belogen. Das heißt, ich hatte sie insofern belogen, als sich das Schriftstück in meinem Besitz befand und Krafft es niemals gehabt hatte, aber das war nur eine Nebensache, in der Hauptsache hatte ich sie nicht belogen, denn in dem Augenblick, wo ich log, nahm ich mir fest vor, diesen Brief noch an demselben Abend zu verbrennen. Ich schwöre, wenn ich ihn in diesem Augenblick in der Tasche gehabt hätte, so hätte ich ihn hervorgezogen und ihr gegeben, aber ich hatte ihn nicht bei mir, er befand sich in meiner Wohnung. Übrigens hätte ich ihn ihr vielleicht doch nicht gegeben, denn ich hätte mich damals sehr geschämt, ihr zu bekennen, daß er sich in meinen Händen befand und daß ich ihn so lange aufbewahrt und auf etwas gewartet und ihn ihr nicht gegeben hatte. Aber wie dem auch sei: jedenfalls wollte ich ihn zu Hause verbrennen und hatte also nicht gelogen! Ich kann beschwören, daß ich in diesem Augenblick ein reines Gewissen hatte.
    »Und da es nun so steht«, fuhr ich in

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