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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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was‹, dachte ich, ›mag's sein, wie's will; nur schnell die Entscheidung!‹ Die Köchin öffnete und näselte mit ihrem widerwärtigen Phlegma, Tatjana Pawlowna sei nicht zu Hause. Ich wollte schon fragen, ob nicht sonst jemand da sei und auf Tatjana Pawlowna warte, aber ich unterließ es. ›Ich will lieber selbst nachsehen‹, dachte ich, sagte der Köchin, ich würde warten, legte meinen Pelz ab und öffnete die Tür ... Katerina Nikolajewna saß am Fenster und »wartete auf Tatjana Pawlowna«.
    »Ist sie nicht da?« fragte sie mich anscheinend mißmutig und ärgerlich, sobald sie mich erblickte. Sowohl ihr Ton als ihre Miene entsprachen meinen Erwartungen so wenig, daß ich wie erstarrt auf der Schwelle stehenblieb.
    »Wen meinen Sie?« murmelte ich.
    »Tatjana Pawlowna! Ich bat Sie doch gestern, ihr zu bestellen, daß ich um drei Uhr zu ihr kommen würde.«
    »Ich ... ich habe sie überhaupt nicht gesehen.«
    »Sie haben es vergessen?«
    Ich mußte mich hinsetzen; ich war wie betäubt. Also so klärte sich das auf! Und was die Hauptsache war: alles war so klar und deutlich wie zweimal zwei vier, aber ich – ich glaubte noch immer hartnäckig.
    »Ich erinnere mich nicht, daß Sie mich ersucht hätten, es ihr zu bestellen. Und Sie haben mich auch gar nicht darum ersucht: Sie haben einfach gesagt, Sie würden um drei Uhr hier sein«, stieß ich heftig heraus. Ich sah sie nicht an.
    »Ach!« rief sie plötzlich, »wenn Sie also vergessen haben, es ihr zu sagen, aber selbst wußten, daß ich hier sein würde, warum sind Sie selbst dann hergekommen?«
    Ich hob den Kopf: auf ihrem Gesicht war weder Spott noch Zorn zu sehen, sondern nur ihr helles, fröhliches Lächeln und eine gesteigerte Schalkhaftigkeit – übrigens war Schalkhaftigkeit ihr steter Gesichtsausdruck –, eine fast kindliche Schalkhaftigkeit: ›Siehst du, da habe ich dich gefangen: na, was wirst du nun sagen?‹ schien ihr ganzes Gesicht zu sagen.
    Ich wollte ihr nicht antworten und heftete meinen Blick wieder auf den Boden. Das Schweigen dauerte etwa eine halbe Minute.
    »Kommen Sie jetzt von Papa?« fragte sie auf einmal.
    »Ich komme jetzt von Anna Andrejewna; beim Fürsten Nikolai Iwanowitsch bin ich überhaupt nicht gewesen ... und Sie wußten das«, fügte ich plötzlich hinzu.
    »Ist bei Anna Andrejewna etwas mit Ihnen passiert?«
    »Sie meinen, ich sehe aus wie ein Verrückter? Nein, so sah ich schon aus, ehe ich zu Anna Andrejewna ging.«
    »Und Sie sind bei ihr nicht vernünftig geworden?«
    »Nein, ich bin da nicht vernünftig geworden. Ich habe außerdem gehört, daß Sie den Baron Bjoring heiraten werden.«
    »Hat sie Ihnen das gesagt?« fragte sie plötzlich, lebhaft interessiert.
    »Nein, ich habe es ihr mitgeteilt; gehört habe ich es, als heute Naschtschokin es dem Fürsten Sergej Petrowitsch erzählte, dem er einen Besuch machte.«
    Ich hob noch immer nicht die Augen zu ihr auf; sie ansehen, das bedeutete für mich in Licht und Freude undGlückseligkeit schwimmen, und ich wollte nicht glücklich sein. Der Stachel des Ingrimms hatte sich in mein Herz gebohrt, und ich faßte im Augenblick einen gewaltigen Entschluß. Und nun begann ich auf einmal zu sprechen, ich erinnere mich kaum noch, wovon. Ich bekam kaum Luft und murmelte eigentlich nur, aber ich sah sie bereits kühn an. Mein Herz klopfte heftig. Ich sprach von allerlei abseitigen Dingen, übrigens vielleicht nicht ungeschickt. Sie hörte anfangs mit jenem gleichmäßigen, geduldigen Lächeln zu, das nie von ihrem Gesicht wich, aber allmählich schimmerte Erstaunen und dann sogar Schrecken in ihrem unverwandt auf mich gerichteten Blick auf. Das Lächeln stand immer noch in ihrem Gesicht, aber auch durch das Lächeln ging von Zeit zu Zeit ein Zucken.
    »Was ist Ihnen?« fragte ich, da ich bemerkte, daß sie mit dem ganzen Körper zusammenzuckte.
    »Ich fürchte mich vor Ihnen«, antwortete sie beinahe ängstlich.
    »Warum gehen Sie nicht weg? Da Tatjana Pawlowna jetzt nicht hier ist und Sie wissen, daß sie nicht kommen wird, so müßten Sie doch eigentlich aufstehen und weggehen.«
    »Ich wollte auf sie warten, aber jetzt ... in der Tat ...«
    Sie schickte sich an aufzustehen.
    »Nein, nein, bleiben Sie sitzen!« hielt ich sie zurück. »Da, Sie sind wieder zusammengezuckt, aber Sie lächeln auch in Ihrer Angst ... Sie lächeln immer. Sehen Sie, jetzt eben haben Sie richtig gelächelt ...«
    »Reden Sie im Fieber?«
    »Jawohl.«
    »Ich fürchte mich«, flüsterte sie

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