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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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antwortete dann übrigens sofort, ich sei mit ihm überhaupt nicht weiter bekannt; ich sei zwar dagewesen, aber nur ein einziges Mal und nur zufällig.
    »Aber wenn Sie einmal zugelassen worden sind, so können Sie doch auch ein zweites Mal hingehen, nicht wahr?«
    Ich fragte ihn geradeheraus, aber sehr kaltblütig, warum er denn diesen Wunsch habe. Und da kann ich nun bis auf den heutigen Tag nicht begreifen, wie ein anscheinend nicht dummer Mensch und nach Wassins Ausdruck ein »Geschäftsmann« eine so weitgehende Naivität bekunden konnte. Er erklärte mir ganz offen, er vermute, daß bei Dergatschew gewiß etwas Verbotenes, etwas streng Verbotenes vorgehe; somit könnte ich, wenn ich das auskundschaften wolle, einen schönen Gewinn für mich erzielen. Und lächelnd zwinkerte er mir mit dem linken Auge zu.
    Ich antwortete ihm darauf nichts, was wie eine Bejahung geklungen hätte, sondern tat, als wolle ich mir die Sacheüberlegen, und versprach, darüber nachzudenken; dann entfernte ich mich so schnell wie möglich. Die Dinge komplizierten sich; ich eilte zu Wassin und traf ihn glücklicherweise zu Hause an.
    »Ah, auch Sie!« sagte er rätselhaft, als er mich erblickte.
    Ohne über diesen Ausdruck nachzudenken, kam ich sogleich zur Sache und erzählte ihm von Stebelkows Verlangen. Er war augenscheinlich befremdet, obwohl er seine Kaltblütigkeit in keiner Weise verlor. Er erkundigte sich nach allen Einzelheiten.
    »Ist es nicht sehr möglich, daß Sie ihn mißverstanden haben?«
    »Nein, ich habe ihn richtig verstanden; der Sinn war vollkommen klar.«
    »Jedenfalls bin ich Ihnen außerordentlich dankbar«, fügte er aufrichtig hinzu. »Ja, in der Tat, wenn das alles so war, so hat er gemeint, daß Sie einer gewissen Summe Geldes nicht widerstehen können.«
    »Zudem kennt er meine Lage nur zu gut: ich habe viel gespielt und einen schlechten Lebenswandel geführt, Wassin.«
    »Ich habe davon gehört.«
    »Das Rätselhafteste ist mir, daß er von Ihnen weiß, daß Sie dort verkehren.« Das war von meiner Seite eine riskante Frage.
    »Er weiß recht gut«, erwiderte Wassin ganz schlicht, »daß ich da völlig unbeteiligt bin. Und überhaupt sind alle diese jungen Leute eigentlich nur Schwätzer, weiter nichts; Sie wissen das ja selbst am besten von Ihrem damaligen Besuch her.«
    Es schien mir, daß er mir nicht vollkommen traute.
    »Jedenfalls bin ich Ihnen außerordentlich dankbar«, fügte er hinzu.
    »Ich habe gehört, daß Herrn Stebelkows geschäftliche Angelegenheiten nicht zum besten stehen«, bemerkte ich wieder versuchsweise, »wenigstens habe ich etwas von gewissen Aktien gehört ...«
    »Von was für Aktien haben Sie etwas gehört?«
    Ich hatte absichtlich von den »Aktien« gesprochen, abernatürlich nicht in der Absicht, ihm das Geheimnis zu erzählen, das mir der Fürst tags zuvor anvertraut hatte. Ich wollte nur eine Andeutung machen und an seinem Gesicht und seinen Augen sehen, ob er etwas von den Aktien wisse. Ich erreichte meinen Zweck: aus einer kaum merklichen, momentanen Bewegung in seinem Gesicht konnte ich entnehmen, daß wohl auch ihm davon etwas bekannt war. Auf seine Frage, von was für Aktien ich etwas gehört hätte, antwortete ich nicht, sondern sprach von etwas anderem weiter; er aber (und das war bemerkenswert) verblieb ebenfalls nicht bei den Aktien.
    »Wie befindet sich Lisaweta Makarowna?« erkundigte er sich teilnehmend.
    »Sie ist gesund. Meine Schwester hat Sie immer sehr hochgeschätzt ...«
    Seine Augen glänzten vor Freude: ich hatte schon längst gemerkt, daß er sich für Lisa sehr interessierte.
    »Neulich war Fürst Sergej Petrowitsch bei mir«, teilte er mir plötzlich mit.
    »Wann war das?« rief ich.
    »Vor genau vier Tagen.«
    »Nicht gestern?«
    »Nein, nicht gestern.« Er sah mich fragend an. »Später werde ich Ihnen vielleicht Näheres über dieses unser Zusammensein mitteilen, aber jetzt halte ich es für nötig, Sie darauf aufmerksam zu machen«, sagte Wassin rätselhaft, »daß er mir damals den Eindruck machte, als sei sein Gemütszustand und ... sogar sein Geisteszustand nicht normal. Übrigens hatte ich«, fuhr er lächelnd fort, »soeben, bevor Sie kamen, noch einen andern Besuch und sah mich auch hier genötigt, auf einen nicht ganz normalen Zustand des Besuchers zu schließen.«
    »War der Fürst eben hier?«
    »Nein, der Fürst nicht, ich rede jetzt nicht vom Fürsten. Derjenige, der mich soeben besuchte, war Andrej Petrowitsch Wersilow, und ... Sie

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