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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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Augenblick ... Ich ... ich bin gleich wieder bei Ihnen, Fürst!«
    Und ich lief hinaus, hinter Katerina Nikolajewna her.
    Alles, was nun folgte, spielte sich so schnell ab, daß ich weder die Möglichkeit hatte, mir die Sache zu überlegen, noch auch mich vorzubereiten, wie ich mich zu benehmen hatte. Hätte ich mich darauf vorbereiten können, so würde ich mich gewiß anders benommen haben! Aber ich hatte wie ein kleiner Junge alle Fassung verloren. Ich wollte nach ihren Zimmern eilen, aber ein Diener sagte mir unterwegs, Katerina Nikolajewna habe die Wohnung bereits verlassen und steige in den Wagen. Ich lief Hals über Kopf nach der Haupttreppe. Katerina Nikolajewna stieg gerade, in ihren Pelz gehüllt, hinab, und neben ihr ging, oder vielmehr es führte sie ein hochgewachsener, schlanker Offizier in Uniform, mit Säbel, ohne Mantel; den Mantel trug ihm ein Diener nach. Das war der Baron; er war Oberst, etwa fünfunddreißig Jahre alt, der Typ eines eleganten Offiziers, hager, mit etwas zu länglichem Gesicht und rötlichem Schnurrbart; selbst die Augenwimpern waren rötlich. Sein Gesicht war zwar in keiner Weise schön, hatte aber scharf geschnittene Züge und einen herausfordernden Ausdruck. Ich schildere ihn hier nur flüchtig, so wie ich sein Bild in jenem Augenblick erfaßte. Ich hatte ihn vorher niemals gesehen. Ich lief ihnen ohne Hut und Pelz die Treppe hinab nach. Katerina Nikolajewna bemerkte mich zuerst und flüsterte ihm schnell etwas zu. Er wollte schon den Kopf nach mir umdrehen, besann sich aber sofort eines anderen und gab dem Diener und dem Portier einen Wink. Der Diener trat auf mich zu, als ich schon dicht bei der Haustür war, aber ich schob ihn mit der Hand beiseite und lief ihnen nach auf die Außentreppe. Bjoring war Katerina Nikolajewna beim Einsteigen in den Wagen behilflich.
    »Katerina Nikolajewna, Katerina Nikolajewna!« rief ich außer mir (wie ein Dummkopf, wie ein Dummkopf! Oh, ich erinnere mich an alles; ich hatte keinen Hut auf!).
    Bjoring wandte sich von neuem wütend zu dem Diener und rief ihm laut etwas zu – ein oder zwei Worte, aber ich verstand sie nicht. Ich fühlte, daß mich jemand an den Ellbogen faßte. In diesem Augenblick setzte sich der Wagen in Bewegung; ich schrie wieder etwas und stürzte ihm nach. Ich sah, daß Katerina Nikolajewna durch das Wagenfenster blickte und sich anscheinend in großer Aufregung befand. Aber bei meiner schnellen Bewegung, als ich dem Wagen nachstürzte, stieß ich plötzlich unversehens heftig gegen Bjoring und trat ihm dabei, wie es schien, sehr schmerzhaft auf den Fuß. Er stieß einen leichten Schrei aus, knirschte mit den Zähnen, faßte mich mit kräftigem Griff bei der Schulter und stieß mich grimmig von sich, so daß ich etwa drei Schritte weit wegflog. In diesem Augenblick wurde ihm sein Mantel gereicht; er warf ihn um, setzte sich in seinen Schlitten und schrie vom Schlitten aus noch einmal den Dienern und dem Portier etwas in drohendem Ton zu, wobei er auf mich wies. Diese ergriffen mich und hielten mich fest: ein Diener warf mir meinen Pelz um, ein anderer reichte mir meinen Hut, und – ich erinnere mich nicht mehr, was sie dabei sagten, aber sie sagten etwas, und ich stand da und hörte es, verstand aber nichts davon. Doch dann ließ ich sie stehen und lief fort.

III
     
    Auf der Straße sah und hörte ich nichts und stieß an die Passanten an; so gelangte ich endlich laufend zu Tatjana Pawlownas Wohnung; mir eine Droschke zu nehmen, das war mir unterwegs gar nicht in den Sinn gekommen. Bjoring hatte mich vor ihren Augen weggestoßen! Allerdings hatte ich ihm auf den Fuß getreten, und er hatte mich instinktiv von sich gestoßen, wie das eben jemand tut, dem man auf die Hühneraugen tritt (und vielleicht hatte ich wirklich bei ihm gerade ein Hühnerauge getroffen!). Aber sie hatte es gesehen und hatte gesehen, daß mich die Diener packten, und das alles war vor ihren Augen geschehen, vorihren Augen! Als ich zu Tatjana Pawlowna hereingestürmt kam, konnte ich im ersten Augenblick nichts sagen, und mein Unterkiefer zitterte wie im Fieber. Ja, ich fieberte auch wirklich, und obendrein weinte ich ... Oh, ich fühlte mich so tief beleidigt!
    »Ah! Was gibt's? Bist du hinausgeworfen worden? Und verdientermaßen, verdientermaßen!« sagte Tatjana Pawlowna. Ich ließ mich schweigend auf das Sofa sinken und sah sie an.
    »Aber was ist denn mit ihm?« sagte sie, indem sie mich aufmerksam betrachtete. »Da, trink ein Glas Wasser,

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