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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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nach seinem gestrigen Besuch bei Anna Andrejewna geschehen sein mußte. Ich kann gar nicht beschreiben, was für einen schmerzlichen Eindruck diese Nachricht auf ihn machte; sein Gesicht wurde ganz entstellt, als ob es sich schräg zöge; ein schiefes Lächeln krampfte seine Lippen zusammen; zuletzt wurde er furchtbar blaß und versank mit niedergeschlagenen Augen tief in Gedanken. Ich erkannte auf einmal in voller Deutlichkeit, daß seine Eitelkeit durch den Korb, den ihm Anna Andrejewna tags zuvor gegeben hatte, furchtbar verletzt worden war. Vielleicht stand ihm bei seiner krankhaften Gemütsverfassung in diesem Augenblick allzu deutlich die lächerliche, demütigende Rolle vor Augen, die er gestern vor diesem Mädchen gespielt hatte, von dessen Einwilligung er, wie sich jetzt zeigte, die ganze Zeit so fest überzeugt gewesen war. Dazu kam ferner vielleicht der Gedanke, daß er Lisa gegenüber eine solche Gemeinheit begangen hatte und so ohne jeden Erfolg! Es ist merkwürdig, wofür diese hochgeborenen Lebemänner einander halten und auf welcher Basis sie einander zu achten vermögen; so konnte dieser Fürst doch annehmen, daß Anna Andrejewna schon von seinem Verhältnis mit Lisa wußte, die doch in Wirklichkeit ihre Schwester war, und daß, wenn sie nichts davon wußte, es sicherlich einmal erfahren würde; aber trotzdem hatte er an ihrem Jawort nicht gezweifelt!
    »Und Sie konnten wirklich glauben«, sagte er, mich stolz und hochmütig anblickend, »daß ich, ich , jetzt nach einer solchen Mitteilung dazu fähig sein würde, zum Fürsten Nikolai Iwanowitsch zu fahren und ihn um Geld zu bitten! Ihn; den Bräutigam des Mädchens, das mir soeben einen Korb gegeben hat; was wäre das für ein unwürdiges,lakaienhaftes Benehmen! Nein, jetzt ist alles zusammengestürzt; und wenn die Hilfe dieses alten Mannes meine letzte Hoffnung war, so mag auch diese Hoffnung begraben sein!«
    Im stillen, in meinem Herzen, stimmte ich ihm bei; aber nach Lage der Dinge durfte man sich hier doch einer etwas milderen Auffassung bedienen: war denn der alte Fürst wirklich als ein Mann, als ein Bräutigam anzusehen? In meinem Kopf brodelten allerlei Gedanken. Ich hatte mir übrigens sowieso schon vorher vorgenommen, am nächsten Tag den alten Herrn unbedingt zu besuchen. Jetzt aber gab ich mir Mühe, den Eindruck meiner Mitteilung abzuschwächen und den armen Fürsten dahin zu bringen, daß er sich schlafen legte: »Schlafen Sie sich aus, und Ihre Gedanken werden heller und freundlicher werden. Sie werden es selbst sehen!« Er drückte mir warm die Hand, küßte mich aber diesmal nicht. Ich gab ihm mein Wort, am Abend des nächsten Tages wieder zu ihm zu kommen: »Dann wollen wir uns miteinander aussprechen«, sagte ich, »es hat sich allzu vieles angesammelt, worüber wir zusammen zu sprechen haben.« Auf diese meine Worte antwortete er nur mit einem irgendwie fatalen Lächeln.

Achtes Kapitel
     
I
     
    Diese ganze Nacht über träumte ich vom Roulett, vom Spiel, von Goldstücken und von Berechnungen. Als säße ich am Spieltisch, berechnete ich fortwährend etwas, einen Einsatz, eine Chance, und das lastete die ganze Nacht auf mir wie ein Alpdruck. Die Wahrheit zu sagen, auch während des ganzen vorhergehenden Tages hatte ich trotz all meiner außerordentlichen seelischen Erregungen alle Augenblicke an den Spielgewinn bei Serschtschikow gedacht. Ich unterdrückte den Gedanken daran; aber die Empfindung konnte ich nicht unterdrücken, und ich zuckte jedesmal bei der bloßen Erinnerung zusammen. Dieser Gewinn hatte mir gleichsam einen Stich ins Herz versetzt.War ich wirklich zum Spieler geboren? Soviel war wenigstens sicher, daß ich die Eigenschaften eines Spielers besaß. Selbst heute noch, wo ich all dies niederschreibe, denke ich ab und zu gern an das Spiel! Es begegnet mir manchmal, daß ich ganze Stunden damit verbringe, schweigend dazusitzen, mich im Kopf mit Spielberechnungen zu beschäftigen und mir auszumalen, wie das alles vor sich gehen, wie ich setzen und gewinnen würde. Ja, ich besitze viele verschiedenartige Eigenschaften, und meine Seele findet keine Ruhe.
    Um zehn Uhr beabsichtigte ich, mich zu Stebelkow zu begeben, und zwar zu Fuß. Matwej hatte ich, sobald er erschienen war, gleich wieder nach Hause geschickt. Während ich Kaffee trank, gab ich mir Mühe, alles ordentlich zu überdenken. Ich hatte ein Gefühl der Zufriedenheit, ohne zunächst zu wissen worüber; bei rascher Selbstprüfung merkte ich, daß ich

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