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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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Schriftstücke von meiner Hand aufbewahrt und in seinem Besitz, beides Billette von je zwei Zeilen, und diese zeugen nun natürlich ebenfalls gegen mich; das habe ich heute recht wohl verstanden. Stebelkow erklärte, daß dieser Shibelskij alles gefährde: er habe dort irgendwelches Geld, wohl staatliches, unterschlagen, beabsichtige aber, noch mehr zu unterschlagen und dann auszuwandern; er brauche nun seiner Angabe nach als Beihilfe zur Auswanderung eine Summe von achttausend Rubeln. Mein Anteil an der Erbschaft wird ausreichen, um Stebelkow zu befriedigen; aber Stebelkow sagt, es müsse auch Shibelskij befriedigt werden ... Kurz, ich soll ihnen meinen Anteil an der Erbschaft überlassen und noch zehntausend Rubel dazuzahlen - das ist das letzte Wort der beiden. Und dann wollen sie mir meine beiden Schriftstücke zurückgeben. Sie stecken beide unter einer Decke, das ist klar.«
    »Das ist ja der reine Unsinn! Wenn die beiden Sie denunzieren, so verraten sie sich ja selbst! Unter keinen Umständen werden sie eine Denunziation gegen Sie einreichen.«
    »Das weiß ich. Sie drohen auch gar nicht mit einer Denunziation; sie sagen nur: »Wir werden Sie natürlich nicht denunzieren, aber wenn die Sache herauskommen sollte, dann ...«, so reden sie, weiter nichts; aber ich glaube, das genügt schon! Aber darum handelt es sich nicht: was auch immer aus der Sache werden mag, und selbst wenn ich diese Schriftstücke jetzt in meiner Tasche hätte, aber mit diesen Schurken solidarisch zu sein, lebenslänglich ihr Mitschuldiger zu sein, lebenslänglich! Rußland zu belügen, meine Kinder zu belügen, Lisa zu belügen, das eigene Gewissen zu belügen! ...«
    »Weiß es Lisa?«
    »Nein, alles weiß sie nicht. Sie würde es in ihrem Zustand nicht ertragen. Ich trage jetzt die Uniform meinesRegiments, und jedesmal, wenn ich einem Soldaten meines Regiments begegne, werde ich mir bewußt, daß ich nicht wert bin, diese Uniform zu tragen.«
    »Hören Sie«, rief ich plötzlich, »es hat keinen Zweck, darüber Worte zu machen; es gibt für Sie nur eine einzige Rettung: gehen Sie zum Fürsten Nikolai Iwanowitsch, bitten Sie ihn, ohne ihm etwas zu entdecken, Ihnen zehntausend Rubel zu borgen, bestellen Sie dann die beiden Schurken hierher, rechnen Sie endgültig mit ihnen ab, und kaufen Sie Ihre Briefchen zurück – dann ist die Sache erledigt! Die ganze Sache ist dann erledigt, und Sie können hingehen und pflügen! Weg mit den Hirngespinsten; vertrauen Sie sich dem Leben an!«
    »Ich habe selbst schon daran gedacht«, sagte er in festem Ton. »Ich habe es mir heute den ganzen Tag hin und her überlegt und mich endlich dazu entschlossen. Ich wartete nur auf Sie; ich werde zu ihm hinfahren. Wissen Sie, ich habe mir nie in meinem Leben von dem Fürsten Nikolai Iwanowitsch auch nur eine Kopeke geben lassen. Er ist sehr gut zu unserer Familie und hat ihr sogar ... wirkliche Teilnahme bewiesen, aber ich selbst, ich persönlich, habe mir nie Geld von ihm geben lassen. Aber jetzt habe ich mich dazu entschlossen. Wissen Sie, unsere Linie der Fürsten Sokolskij ist älter als die Linie des Fürsten Nikolai Iwanowitsch; die letztere ist eine jüngere Linie, sogar nur eine Seitenlinie und beinahe anfechtbar ... Unsere Vorfahren lebten miteinander in Feindschaft. Zu Anfang der petrinischen Reformen hielt sich mein Ururgroßvater, der ebenfalls Pjotr hieß, beharrlich zur Sekte der Altgläubigen und mußte in die Wälder von Kostroma flüchten. Dieser Fürst Pjotr hatte in zweiter Ehe ebenfalls eine Nichtadlige zur Frau ... Damals zweigten sich die anderen Sokolskijs ab. Aber ich ... wie bin ich doch darauf gekommen? ...«
    Er war sehr erschöpft und redete ohne rechte Überlegung.
    »Beruhigen Sie sich«, sagte ich, indem ich aufstand und nach meinem Hut griff. »Legen Sie sich schlafen, das ist für Sie das notwendigste. Fürst Nikolai Iwanowitsch wird es Ihnen sicherlich nicht abschlagen, am wenigsten jetzt, wo er freudig erregt ist. Sie wissen, was sich dort zugetragenhat? Wirklich nicht? Ich habe etwas ganz Verwunderliches gehört, daß er heiraten wird; es ist noch Geheimnis, aber natürlich nicht für Sie.«
    Ich erzählte ihm alles, während ich schon mit dem Hut in der Hand dastand. Er hatte nichts davon gewußt. Er erkundigte sich hastig nach allerlei Einzelheiten, namentlich nach der Zeit, dem Ort und dem Grad der Glaubwürdigkeit. Ich verheimlichte ihm natürlich nicht, daß es nach der Darstellung, die ich gehört hatte, unmittelbar

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