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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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vielleicht nur dadurch, daß man sich selbst umbildet, sich nach einer besseren Seite hin entwickelt und die schlechten Neigungen seines Charakters bekämpft: mit großer Wahrscheinlichkeit könnte dann auch das Lachen eines solchen Menschen sich nach der besseren Seite hin ändern. Durch sein Lachen verrät sich so manch einer vollständig, und man durchschaut auf einmal sein ganzes verborgenes Inneres. Sogar ein unzweifelhaft kluges Lachen wirkt mitunter abstoßend. Das Lachen erfordert vor allem Aufrichtigkeit, aber wo findet man die bei den Menschen? Ein zweites Erfordernis beim Lachen ist Gutherzigkeit, aber die Menschen lachen meist boshaft. Ein aufrichtiges, gutherziges Lachen, das ist Heiterkeit, aber wo findet man bei den Menschen in unserem Zeitalter Heiterkeit, und verstehen die Menschen überhaupt noch heiter zu sein? (Das über die Heiterkeit in unserm Zeitalter ist eine Bemerkung Wersilows, die ich in Erinnerung behalten habe.) Die Heiterkeit eines Menschen, das ist derjenige Charakterzug, der das ganze Wesen des Betreffenden am deutlichsten verrät. Aus manchem Charakter wird man lange Zeit nicht klug, aber da braucht der Mensch nur einmal ganz aufrichtig zu lachen, und sein ganzer Charakter liegt plötzlich offen da wie auf der flachen Hand. Nur ein Mensch von der höchsten, glücklichsten Entwicklung versteht es, seine Heiterkeit anderen mitzuteilen, das heißt mittels einer unwiderstehlichen Gutherzigkeit. Ich rede nicht von seiner Verstandesentwicklung, sondern von seinem Charakter, von dem gesamten Wesen des Menschen. Wenn man also einen Menschen durchschauen und seine Seele erkennen will, so muß man sein Augenmerk nicht darauf richten, wie er schweigt oder wie er redet oder wie er weint, selbst nicht darauf, wie er sich für die edelsten Ideen begeistert, sondern man beobachte ihn lieber, wenn er lacht. Hat jemand ein gutes Lachen, so ist er ein guter Mensch. Man achte dabei auch noch auf allerlei Nuancen: so zum Beispiel darf das Lachen eines Menschen in keinem Fall dumm erscheinen, mag es auch noch so heiter und gutherzig sein. Bemerkt man auch nur die geringste Spur von Dummheit in jemandes Lachen, so ist der Betreffendeunzweifelhaft ein Mensch von beschränktem Verstand, mag er sich auch noch so sehr den Anschein gehen, als sprudle er nur so von Ideen. Ja, auch wenn sein Lachen nicht dumm ist, er selbst aber einem beim Lachen auf einmal aus irgendeinem Grund lächerlich vorkommt, und wäre es auch nur ein klein wenig, so wisse man, daß dieser Mensch keine rechte eigene Würde besitzt oder wenigstens nicht in vollem Maße. Oder endlich, wenn dieses Lachen sich zwar anderen mitteilt, aber einem doch aus irgendeinem Grunde trivial erscheint, so wisse man, daß auch das Wesen dieses Menschen trivial und alles Edle und Hohe, das man an ihm vorher wahrgenommen hat, entweder absichtliche Fälschung oder unbewußte Entlehnung ist und daß sich dieser Mensch unfehlbar in der Folge nach der schlechten Seite hin verändern, sich mit dem »Nützlichen« beschäftigen, die edlen Ideen aber ohne Bedauern als jugendliche Verirrungen und Schwärmereien von sich werfen wird.
    Diesen langen Erguß über das Lachen schalte ich mit Bedacht hier ein und unterbreche um seinetwillen sogar den Fluß der Erzählung, weil ich diese Erkenntnis für eine der wichtigsten halte, zu denen mich das Leben geführt hat. Und besonders empfehle ich sie den jungen Mädchen, die sich bereits anschicken, ihren Erwählten zu heiraten, ihn aber immer noch bedenklich und mißtrauisch betrachten und sich nicht endgültig entschließen können. Und mögen sie sich nicht über den armseligen, unreifen Jüngling lustig machen, weil er sich mit seinen Sittenpredigten auf das Gebiet der Ehe begibt, von der er nicht ein Jota versteht. Aber ich verstehe wenigstens so viel, daß das Lachen der zuverlässigste Prüfstein der Seele ist. Man sehe die Kinder an: nur die Kinder verstehen in idealer Vollkommenheit zu lachen, und darum sind sie auch so entzückende Wesen. Ein weinendes Kind ist mir widerwärtig, aber ein lachendes, fröhliches, das ist ein Strahl aus dem Paradies, das ist eine Offenbarung der Zukunft, in der der Mensch schließlich wieder so rein und so einfältigen Herzens werden wird wie die Kinder. Und siehe da, ein solcher kindlicher, unsagbar anziehender Schimmer lag auch in dem kurzen Lachen dieses alten Mannes. Ich trat sogleich auf ihn zu.

III
     
    »Setz dich, setz dich hin, deine Beine können sicher noch nicht recht

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