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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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Willens rühmen?« Ich war damals erstaunt über diese Demut. Na, nun also im vorigen Sommer, zu den Petrifasten, kehrte ich wieder in jenem Kloster ein – Gott hatte mich hingeführt –, und da sah ich in seiner Zelle eben so ein Ding stehen, ein Mikroskop; das hatte er sich für ein großes Stück Geld aus dem Ausland kommen lassen. »Warte mal, Alter«, sagte er, »ich werde dir etwas Erstaunliches zeigen, weil du so etwas noch nie gesehen hast. Du siehst hier einen Wassertropfen, der ist so rein wie eine Träne; na, nun paß mal auf, was in ihm drin ist; und du wirst sehen, daß die Mechaniker bald alle Geheimnisse Gottes werden herausgebracht haben, für uns beide, für mich und dich, werden sie kein einziges mehr übriglassen‹; genau mit diesen Worten sagte er das, ich habe es mir gemerkt. Aber ich hatte in so ein Mikroskop schon fünfunddreißig Jahre vorher hineingesehen, bei Alexander Wladimirowitsch Malgassow, unserm Herrn, der mütterlicherseits ein Onkel Andrej Petrowitschs war und von dem das Gut auch dann nach seinem Tode auf Andrej Petrowitsch überging. Das war ein großmächtiger Herr, ein hoher General, und er hielt sich eine große Meute Jagdhunde, und ich war damals viele Jahre lang bei ihm Pikör. Na also; der stellte damals auch so ein Mikroskop auf, das er sich ebenfalls mitgebracht hatte, und befahl dem ganzen Gutsgesinde, Männern und Weibern, es sollte einer nach dem andern herantreten und hineinsehen, und es wurde ebenfalls ein Floh gezeigt und eine Laus und die Spitze einer Nadel und ein Haar und ein Wassertropfen. Und nun war es ein Hauptspaß: sie fürchteten sich heranzutreten, und sie fürchteten sich auch vor dem Herrn, denn der war sehr jähzornig. Manche verstanden es gar nicht, hineinzusehen; sie kniffen die Augen zu und sahen nichts; andere hatten Angst und schrien, und der Schulze Sawin Makarow hielt sich beide Hände vor die Augen und schrie: »Macht mit mir, was ihr wollt – ich gehe nicht hin!« Da gab es viel Gelächter. Aber zu Pjotr Walerjanytsch sagte ichnichts davon, daß ich schon früher, vor mehr als fünfunddreißig Jahren, dieses selbe Wunder gesehen hatte, denn ich sah, daß es ihm großes Vergnügen machte, es mir zu zeigen, und so tat ich denn im Gegenteil sehr verwundert und erschrocken. Er ließ mir ein Weilchen Zeit und fragte dann: ›Nun, Alter, was sagst du jetzt?‹ Aber ich verneigte mich und sagte zu ihm: ›Gott sprach: »Es werde Licht!« und es ward Licht.‹ Er aber erwiderte darauf: ›Ward nicht vielmehr Finsternis?‹ Und das sagte er in so sonderbarem Ton und lächelte nicht einmal dabei. Ich wunderte mich damals über ihn; er aber war ordentlich böse geworden und sagte weiter nichts.«
    »Die Sache ist ganz einfach: Ihr Pjotr Walerjanytsch ißt im Kloster die Mönchskost und macht die vorgeschriebenen Verneigungen, aber er glaubt nicht an Gott, und Sie sind gerade in einem solchen Augenblick zu ihm gekommen, das ist das Ganze«, sagte ich, »und außerdem ist er ein recht komischer Mensch: er hatte doch gewiß vorher schon zehnmal ein Mikroskop gesehen; warum benimmt er sich denn beim elftenmal, als ob er den Verstand verliert? Sicher so eine nervöse Reizbarkeit ... die er sich im Kloster zugezogen hat.«
    »Er ist ein Mensch von reinen Sitten und von hohem Verstand«, sagte der Alte nachdrücklich, »und er ist auch nicht gottlos. Er hat eine große Menge Verstand, aber ein unruhiges Herz. Solche Menschen gehen jetzt sehr viel aus dem herrschaftlichen und aus dem gelehrten Stand hervor. Und da will ich dir noch etwas sagen; ein solcher Mensch straft sich selbst. Du aber geh ihnen aus dem Weg und ärgere sie nicht, aber ehe du abends einschläfst, gedenke ihrer in deinem Gebet, denn solche Menschen suchen Gott. Betest du vor dem Einschlafen?«
    »Nein, ich halte das für eine leere Förmlichkeit. Ich muß Ihnen übrigens gestehen, daß mir Pjotr Walerjanytsch gefällt: er ist wenigstens kein leeres Stroh, sondern immerhin ein Mensch und hat einige Ähnlichkeit mit jemandem, der uns beiden nahesteht und den wir beide kennen.«
    Der Alte beachtete nur den ersten Satz meiner Antwort.
    »Du tust unrecht, Freund, daß du nicht betest; das Beten ist etwas Gutes, es macht das Herz heiter, sowohl vor demEinschlafen als auch, wenn man sich vom Schlaf erhebt, als auch, wenn man in der Nacht aufwacht. Das kann ich dir sagen. Im vorigen Sommer, im Juli, zogen wir nach dem Kloster von Bogorodsk zum Kirchenfest. Je näher wir dem Ort kamen, um so mehr

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