Der Jüngling
selbst an Ihr Versprechen als Edelmann erinnern, gnädiger Herr, die Brautkrone aber bedeckt alles ... Ich sage das in Gegenwart der Kinder, gnädiger Herr ...«
Er befand sich in großer Aufregung und blickte Wersilow an, wie wenn er von ihm eine zustimmende Antwort erwartete. Ich wiederhole: das alles war so unerwartet, daß ich dasaß, ohne mich zu rühren. Wersilow war nicht weniger aufgeregt als er: er trat schweigend zu Mama heran und umarmte sie innig; dann ging Mama, ebenfalls schweigend, zu Makar Iwanowitsch hin und verbeugte sich ganz tief vor ihm.
Kurz, es war eine ergreifende Szene; im Zimmer waren diesmal nur die Familienmitglieder anwesend. Nicht einmal Tatjana Pawlowna war da. Lisa saß gerade aufgerichtet auf ihrem Stuhl und hörte schweigend zu; auf einmal stand sie auf und sagte in festem Ton zu Makar Iwanowitsch:
»Segnen Sie auch mich, Makar Iwanowitsch, zu einer großen Qual, die mir bevorsteht. Morgen wird sich meinganzes Schicksal entscheiden ... beten Sie heute für mich!«
Nach diesen Worten ging sie aus dem Zimmer. Ich weiß, daß Makar Iwanowitsch schon von Mama alles, was ihr begegnet war, erfahren hatte. Aber ich sah an diesem Abend zum erstenmal Wersilow und Mama als ein Paar zusammen; bis dahin war mir Mama neben ihm immer wie seine Dienerin erschienen. Sehr, sehr vieles hatte ich noch nicht bemerkt, nicht gekannt an diesem Menschen, über den ich doch schon den Stab gebrochen hatte, und daher kehrte ich in großer Verwirrung in mein Zimmer zurück. Und ich muß sagen, daß sich gerade zu dieser Zeit alle meine Zweifel über ihn verdichtet hatten; noch nie vorher war er mir so geheimnisvoll und rätselhaft erschienen wie gerade zu dieser Zeit, aber davon handelt ja die ganze Geschichte, die ich hier niederschreibe; alles zu seiner Zeit.
›Aber‹, dachte ich damals im stillen, als ich bereits im Begriff war, mich schlafen zu legen, ›da hat sich doch herausgestellt, daß er Makar Iwanowitsch sein Wort als Edelmann gegeben hat, Mama zu heiraten, falls sie Witwe werden sollte. Das hat er verschwiegen, als er mir früher so vieles von Makar Iwanowitsch erzählte.‹
Am folgenden Tag war Lisa von Morgen bis Abend nicht zu Hause, und als sie ziemlich spät zurückkehrte, ging sie geradeswegs zu Makar Iwanowitsch hinein. Ich wollte eigentlich nicht hineingehen, um die beiden nicht zu stören, aber bald merkte ich, daß auch Mama und Wersilow schon dort waren, und ging ebenfalls hin. Lisa saß neben dem alten Mann und weinte an seiner Schulter; der aber streichelte ihr mit traurigem Gesicht schweigend den Kopf.
Wersilow teilte mir, als wir uns nachher in meinem Zimmer befanden, mit, daß der Fürst auf seiner Absicht bestehe und sich mit Lisa so bald wie möglich, noch vor dem Urteilsspruch des Gerichts, trauen lassen wolle. Lisa konnte sich nur schwer dazu entschließen, obgleich sie kaum noch ein Recht hatte, sich zu weigern. Und auch Makar Iwanowitsch hatte ihr »befohlen«, sich trauen zu lassen. Natürlich hätte sich dies später alles ganz von selbst ergeben, und sie hätte sich zweifellos aus eigenem Entschluß trauenlassen, ohne Befehle und ohne Schwanken, aber im gegenwärtigen Augenblick fühlte sie sich so tief gekränkt von demjenigen, den sie liebte, und durch diese Liebe sogar in ihren eigenen Augen so erniedrigt, daß ihr der Entschluß schwerfiel. Aber auch abgesehen von der Kränkung war da noch ein neuer hindernder Umstand vorhanden, von dem ich noch gar keine Ahnung haben konnte.
»Hast du gehört, daß alle diese jungen Leute von der Petersburger Seite gestern verhaftet worden sind?« fügte Wersilow auf einmal hinzu.
»Was? Dergatschew?« rief ich.
»Ja, und Wassin ebenfalls.«
Ich war wie vor den Kopf geschlagen, besonders als ich von Wassins Verhaftung hörte.
»Aber ist er denn in irgend etwas verwickelt? Mein Gott, wie wird es ihnen jetzt ergehen? Und gerade in dem Augenblick, wo Lisa über Wassin so empört gewesen ist! ... Was meinen Sie, was ihnen geschehen kann? Da steckt Stebelkow dahinter! Ich versichere Ihnen, das ist Stebelkows Werk!«
»Lassen wir das«, erwiderte Wersilow und sah mich mit einem seltsamen Blick an (gerade so, wie man einen Menschen ansieht, der nichts begreift und nichts errät), »wer weiß denn, was sie da eigentlich haben, und wer kann wissen, wie es ihnen ergehen wird? Darüber wollte ich auch nicht mit dir reden; ich habe gehört, du hättest vor, morgen auszugehen: möchtest du nicht bei dem Fürsten Sergej Petrowitsch
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