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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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Manchmal nahm ich dich auch mit in den Wald, suchte einen Himbeerstrauch, setzte dich zu den Himbeeren und schnitzte dir unterdes eine Pfeife aus Holz. Und wenn wir dann genug spazierengegangen waren, trug ich dich auf dem Arm nach Hause – und das Kindchen schlief. Und einmal hast du solche Angst vor einem Wolf bekommen und kamst, am ganzen Leib zitternd, zu mir gestürzt, aber es war gar kein Wolf da.«
    »Daran erinnere ich mich noch«, sagte Mama.
    »Erinnerst du dich wirklich?«
    »Ich erinnere mich noch an vieles andere. Seit ich von mir selbst im Leben weiß, habe ich mich von Ihrer Liebe und Freundlichkeit umgeben gesehen«, sagte sie gerührt und wurde auf einmal ganz rot.
    Makar Iwanowitsch wartete ein Weilchen und fuhr dann fort:
    »Lebt wohl, Kinderchen, ich gehe jetzt von euch. Das Ende meines Lebens ist nun herangekommen. Ich habe in meinen alten Tagen Trost für alle Leiden gefunden; ich danke euch, meine Lieben.«
    »Reden Sie doch nicht so, liebster Makar Iwanowitsch!« rief Wersilow, einigermaßen beunruhigt. »Der Doktor hat mir erst vorhin noch gesagt, daß es Ihnen sehr viel besser geht ...«
    Mama horchte ängstlich auf.
    »Na, was weiß denn der, dein Alexander Semjonowitsch«, erwiderte Makar Iwanowitsch lächelnd. »Er ist ein sehr lieber Mensch, weiter aber auch nichts. Laßt das nur gut sein, liebe Freunde, oder glaubt ihr, daß ich mich vor dem Tod fürchte? Ich hatte heute nach dem Morgengebet so ein Gefühl im Herzen, daß ich aus diesem Zimmer nicht mehr hinausgehen werde; eine innere Stimme sagte mir das. »Nun gut also, der Name des Herrn sei gelobt! Nur an euch allen möchte ich mich noch einmal satt sehen. Auch der Dulder Hiob fand Trost beim Anblick seiner neuen Kinderchen, aber vergaß er seine früheren, und konnte er sie überhaupt vergessen? Das ist unmöglich! Nur daß sich im Lauf der Jahre die Trauer gleichsam mit der Freude vermischt, sich zu einem freudigen Seufzen verklärt. So ist es nun einmal auf Erden: eine jede Seele wird geprüft und getröstet. Ich habe mir vorgenommen, Kinderchen, euch ein Wörtchen zu sagen, ein kleines Wörtchen«, fuhr er mit einem stillen, schönen Lächeln fort, das ich nie vergessen werde, und wandte sich auf einmal an mich. »Du, mein Lieber, hänge du immer eifrig der heiligen Kirche an, und wenn die Zeit ruft, so stirb auch für sie, aber warte, erschrick nicht, es braucht nicht gleich zu sein«, fügte er lächelnd hinzu. »Jetzt denkst du vielleicht an dergleichen nicht, aber später wirst du vielleicht daran denken. Und was ich noch sagen wollte: wenn du etwas Gutes zu tun gedenkst, so tue es um Gottes willen, und nicht, um beneidet zu werden. An deinem Werk aber halte fest und laß dich nicht durch Anwandlungen von Kleinmut davon abbringen; tue es mit Ruhe, ohne Überhastung und ohne Unterbrechung! Nun, das ist ja wohl alles, was ich dir zu sagen hatte. Nur noch dies: gewöhne dich, täglich und unablässig zu beten! Ich wollte dir das nur sagen, vielleicht erinnerst du dich einmal daran. Auch Ihnen, gnädiger Herr Andrej Petrowitsch, möchte ich gern etwas sagen, aber Gott wird auch ohne mich Ihr Herz zu finden wissen. Wir beide, Sie und ich, haben schon lange nicht mehr davon gesprochen, seit der Zeit, wo dieser Pfeil mein Herz durchbohrte. Jetzt aber, wo ich hinweggehe, will ich Sie nur an das erinnern ... was Sie mir damals versprochen haben ...«
    Die letzten Worte flüsterte er beinahe und hielt die Augen gesenkt.
    »Makar Iwanowitsch!« sagte Wersilow verlegen und stand vom Stuhl auf.
    »Nun, nun, beunruhigen Sie sich nicht, gnädiger Herr, ich wollte nur daran erinnern ... Die Schuld Gott gegenüber trage in dieser Sache vor allem ich; denn obgleich Sie mein Herr waren, so hätte ich doch diese Schwäche nicht zulassen sollen. Darum quäle auch du, Sofja, deine Seele nicht allzusehr, denn deine ganze Sünde ist meine Sünde, und ich glaube, du hast damals kaum ein hinreichendes Verständnis dafür besessen, und vielleicht Sie auch nicht, gnädiger Herr, ebensowenig wie sie«, fügte er lächelnd mit schmerzlich zuckenden Lippen hinzu. »Und wiewohl ich dich damals hätte belehren können als meine Gattin, sogar mit dem Stock, und es auch hätte tun müssen, so tatest du mir doch leid, als du weinend vor mir niederfielst und nichts verschwiegst ... und mir die Füße küßtest. Nicht um dir einen Vorwurf zu machen, erwähne ich das, liebste Sofja, sondern nur um Andrej Petrowitsch zu erinnern ... denn Sie werden sich ja auch

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