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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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markiert und laut im Ton einer Frage:
    »Mádier de Móntjau?«
    Die Polen drehten sich wütend nach ihm um.
    »Was wünschen Sie?« rief der große, dicke Pole laut auf russisch. Der dadais wartete eine Weile.
    »Mádier de Móntjau?« wiederholte er dann auf einmal so laut, daß es durch den ganzen Saal schallte, aber ohne irgendwelche Erklärung zu geben, geradeso dumm, wie er eine Weile vorher an der Flurtür, auf mich zutretend, die Frage: »Dolgorowky?« wiederholt hatte. Die Polen sprangen auf; auch Lambert sprang eilends vom Tisch auf und wollte auf Andrejew losstürzen, ließ dann aber von diesem ab, lief zu den Polen hin und begann, sie demütig um Entschuldigung zu bitten.
    »Das sind ja Hanswurste, Pane, das sind ja Hanswurste«, sagte der kleine Pole, der vor Empörung rot geworden war wie eine Mohrrübe, verächtlich. »Man wird bald nicht mehr hierherkommen können.« Auch im Saal war es unruhig geworden; es wurde gemurrt, größtenteils aber gelacht.
    »Kommen Sie hinaus ... bitte ... kommen Sie mit!« murmelte Lambert ganz fassungslos, bemüht, Andrejew auf irgendeine Weise aus dem Zimmer hinauszuschaffen.
    Dieser blickte Lambert prüfend an, gelangte zu der Überzeugung, daß der ihm jetzt Geld geben werde, und zeigte sich bereit, ihm zu folgen. Wahrscheinlich hatte er schon öfter durch ein derartiges schamloses Benehmen von Lambert Geld erpreßt.
    Trischatow wollte ihnen schon ebenfalls nachlaufen, aber dann sah er mich an und blieb da.
    »Ach, wie widerwärtig!« sagte er und bedeckte seine Augen mit den schmalen Fingern.
    »Ja, sehr widerwärtig«, flüsterte der Pockennarbige, der jetzt ein recht grimmiges Gesicht machte. Unterdessen kehrte Lambert, der ganz blaß aussah, zurück und begann, dem Pockennarbigen unter lebhaften Gestikulationen etwas zuzuflüstern. Dieser hatte inzwischen dem Kellner befohlen, recht schnell den Kaffee zu bringen; er hörte mit mißmutiger Miene zu und beabsichtigte offenbar, möglichst bald wegzugehen. Und dabei war die ganze Geschichte nur ein einfacher Schuljungenstreich gewesen. Trischatow kam mit seiner Kaffeetasse von seinem Platz zu mir herum und setzte sich neben mich.
    »Ich habe ihn sehr gern«, begann er mit so offenherziger Miene, als ob er schon wer weiß wie oft mit mir darüber gesprochen hätte. »Sie glauben gar nicht, wie unglücklich Andrejew ist. Er hat die Mitgift seiner Schwester durch die Gurgel gejagt und überhaupt alles, was sie hatten, in dem Jahr, wo er beim Militär diente, vergeudet, und ich sehe, daß ihn jetzt die Reue quält. Und daß er sich nicht wäscht, das tut er nur aus Verzweiflung. Und er hat ganz sonderbare Ideen: er sagt einem auf einmal, ein Schuft und ein ehrenhafter Mann, das sei ganz dasselbe, dazwischen gebe es gar keinen Unterschied; man solle nichts tun, weder Gutes noch Schlechtes, oder es sei ganz gleich, man könne sowohl Gutes wie Schlechtes tun; am besten aber sei es, wenn man sich hinlege, einen Monat lang die Kleider nicht ausziehe und trinke, esse und schlafe, weiter nichts. Aber Sie können glauben: er sagt das nur so. Und wissen Sie, ich glaube sogar, diese Torheit hat er jetzt nur deshalb begangen, weil er mit Lambert vollständig Schluß machen wollte. Das hat er noch gestern zu mir gesagt. Können Sie es glauben: manchmal in der Nacht, oder wenn er lange allein sitzt, fängt er an zu weinen, und wissen Sie, wenn er weint, so macht er das auf ganz sonderbare Weise, wie sonst kein Mensch weint: er heult, heult schrecklich, und wissen Sie, da tut er einem noch mehr leid ... Und dabei ist er doch ein so großer, starker Mensch, aber auf einmal heult er laut los. Was für ein armer Kerl, nicht wahr? Ich möchte ihn retten, aber ich bin ja selbst ein so schändlicher, verlorener Bursche. Sie glauben es gar nicht! Würden Sie mich empfangen, Dolgorukij, wenn ich einmal zu Ihnen käme?«
    »O gewiß, kommen Sie nur, ich habe Sie sogar sehr gern.«
    »Womit verdiene ich das? Nun, ich danke Ihnen. Hören Sie mal, wir wollen noch ein Glas trinken. Aber was rede ich da? Sie tun besser, nichts mehr zu trinken. Darin hat er recht gehabt, daß Sie nicht mehr trinken dürfen« (er blinzelte mir bedeutsam zu), »aber ich werde doch noch etwas trinken. Mir macht es nichts mehr aus, aber ob Sie es glauben oder nicht, ich kann mich in keiner Beziehung beherrschen. Sie brauchen mir nur zu sagen, ich müsse darauf verzichten, in feinen Restaurants zu dinieren, und ich bin sofortzu allem bereit, um doch dinieren zu können.

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