Der Jüngling
dümmste Unruhe aus. Der Pockennarbige bemerkte das und lachte.
›Lambert ist entschieden von all diesen Menschen abhängig‹, dachte ich und haßte ihn in diesem Augenblick von ganzer Seele. So saßen wir zwar während des ganzen Diners an ein und demselben Tisch, teilten uns aber doch in zwei Gruppen: einerseits der Pockennarbige und Lambert nahe am Fenster einander gegenüber, andrerseits ich nebendem schmierigen Andrejew und mir gegenüber Trischatow. Lambert beschleunigte den Gang des Diners, indem er alle Augenblicke den Kellner zu schnellem Servieren antrieb. Als der Champagner gebracht wurde, hielt er mir auf einmal sein Glas hin.
»Auf dein Wohl! Laß uns anstoßen!« sagte er, sein Gespräch mit dem Pockennarbigen unterbrechend.
»Erlauben Sie auch mir, mit Ihnen anzustoßen?« sagte der hübsche Trischatow und hielt mir sein Glas über den Tisch hin. Bis zum Champagner war er sehr nachdenklich und schweigsam gewesen. Der dadais aber hatte überhaupt nicht geredet, sondern geschwiegen und viel gegessen.
»Mit Vergnügen«, antwortete ich Trischatow. Wir stießen miteinander an und tranken aus.
»Ich für meine Person werde nicht auf Ihr Wohl trinken«, wandte sich auf einmal der dadais an mich, »nicht etwa weil ich Ihnen den Tod wünsche, sondern damit Sie hier heute nicht mehr trinken.« Er sprach in düsterem Ton und mit starkem Nachdruck. »Sie haben auch an drei Gläsern genug. Sie betrachten, wie ich sehe, meine ungewaschene Faust?« fuhr er fort und legte dabei seine Faust auf den Tisch. »Ich wasche sie nicht und vermiete sie so ungewaschen an Lambert zum Einschlagen fremder Köpfe, falls Lambert einmal in eine kitzlige Situation gerät.«
Und nach diesen Worten schlug er plötzlich mit der Faust so kräftig auf den Tisch, daß alle Teller und Gläser in die Höhe sprangen. Außer uns befanden sich in diesem Zimmer noch an vier anderen Tischen dinierende Gäste, lauter Offiziere und allerlei andere Herren von sehr würdigem Äußern; es war Mode, dieses Restaurant aufzusuchen. Alle unterbrachen für einen Augenblick ihre Gespräche und sahen nach unserer Ecke hin; aber ich glaube, wir hatten schon seit längerer Zeit eine gewisse Neugierde erregt. Lambert war ganz rot geworden.
»Na, fängt er schon wieder an! Ich habe Sie ja wohl gebeten, sich anständig zu benehmen, Nikolai Semjonowitsch«, flüsterte er Andrejew zornig zu. Der sah ihn lange mit ernstem Blick an.
»Ich will nicht, daß mein neuer Freund Dolgorowky hier heute viel Wein trinkt.«
Lambert wurde noch roter. Der Pockennarbige hörte schweigend zu, aber mit offensichtlichem Vergnügen. Andrejews herausforderndes Benehmen gefiel ihm aus irgendeinem Grunde. Ich war der einzige, der nicht verstand, weswegen ich keinen Wein mehr trinken sollte.
»Er tut das nur, um Geld von mir zu bekommen! Sie sollen noch sieben Rubel bekommen, hören Sie? Nach Tisch; aber lassen Sie uns unser Diner beenden, und blamieren Sie uns nicht!« sagte Lambert zähneknirschend.
»Aha!« brummte der dadais triumphierend. Das versetzte den Pockennarbigen nun vollends in Entzücken, und er kicherte boshaft.
»Hör mal, du bist schon sehr ...«, sagte Trischatow beunruhigt und mit einem beinahe schmerzlichen Ausdruck zu seinem Freund, den er augenscheinlich zurückzuhalten wünschte. Andrejew verstummte, aber nicht für lange; das paßte nicht zu seinen Absichten. An dem zweitnächsten Tische von uns, etwa fünf Schritte von uns entfernt, speisten zwei Herren und unterhielten sich lebhaft miteinander. Beide waren von mittlerem Alter und sahen so aus, als sei mit ihnen nicht gut Kirschen essen. Der eine war groß und sehr dick, der andere ebenfalls sehr dick, aber klein. Sie sprachen polnisch über die neuesten Vorgänge in Paris. Der dadais hatte schon lange neugierig nach ihnen hingesehen und hingehorcht. Der kleine Pole erschien ihm offenbar als eine komische Figur, und er hatte sogleich einen Haß auf ihn geworfen, nach Art aller gallen- und leberleidenden Leute, bei denen das immer ganz plötzlich und sogar ohne jede Veranlassung geschieht. Auf einmal nannte der kleine Pole den Namen des Deputierten Madier de Montjau, sprach ihn aber nach der Gewohnheit sehr vieler Polen polnisch aus, das heißt mit dem Ton auf der vorletzten Silbe, so daß der Name nicht Madiér de Montjáu, sondern Mádier de Móntjau klang. Das genügte dem dadais, um sich einzumischen. Er wandte sich zu den Polen, richtete sich wichtigtuerisch gerade und sagte auf einmal deutlich
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