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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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will nur vorher noch schnell zu ihr, vielleicht treffe ich sie noch, denn die Geschichte kommt mir immerhin verdächtig vor!«
    Sie schlug schleunigst die Richtung nach Katerina Nikolajewnas Wohnung ein. Ich aber machte mich mit Alfonsinka auf die Fahrt zu Lambert. Ich trieb den Kutscher zur Eile an und versuchte während der Fahrt, Alfonsinka weiter auszufragen, aber diese antwortete größtenteils nur mit Ausrufen und zuletzt mit Tränen. Aber Gott schützte und bewahrte uns alle, als alles schon nur noch an einem dünnen Faden hing. Wir hatten noch nicht den vierten Teil des Weges zurückgelegt, als ich plötzlich hinter mir schreien hörte: es wurde mein Name gerufen. Ich sah mich um: Trischatow suchte uns in einer Droschke einzuholen. »Wo wollen Sie hin?« rief er erschrocken. »Und mit ihr, mit Alfonsinka!«
    »Trischatow!« rief ich ihm zu. »Sie haben die Wahrheit gesagt – es droht ein großes Unglück! Ich fahre zu dem Halunken Lambert! Fahren Sie mit, je mehr wir sind, desto besser!«
    »Kehren Sie um, kehren Sie sofort um!« schrie Trischatow. »Lambert täuscht Sie, und Alfonsinka täuscht Sie ebenfalls. Mich schickt der Pockennarbige; sie sind nicht zu Hause: ich bin soeben Wersilow und Lambert begegnet, sie fuhren zu Tatjana Pawlowna ... sie sind jetzt dort ...«
    Ich ließ den Kutscher halten und sprang zu Trischatow in seine Droschke hinüber. Bis auf den heutigen Tag ist es mir unbegreiflich, wie ich es fertigbrachte, mich so schnell zu entschließen, aber ich glaubte ihm sofort und entschloß mich. Alfonsinka erhob ein gewaltiges Geschrei, aber wir kümmerten uns nicht weiter um sie, und ich weiß tatsächlich nicht, ob sie umkehrte und uns nachfuhr oder ob sie sich nach Hause begab; jedenfalls habe ich sie nicht mehr gesehen.
    In der Droschke teilte mir Trischatow, vor Aufregung keuchend, mit Mühe und Not mit, es bestehe ein heimlicher Operationsplan; Lambert sei mit dem Pockennarbigen schon so gut wie einig gewesen, aber im letzten Augenblick sei der Pockennarbige ihm untreu geworden und habe ihn, Trischatow, soeben selbst zu Tatjana Pawlowna geschickt, um ihr zu sagen, sie solle Lambert und Alfonsinka nicht trauen. Trischatow fügte noch hinzu, weiter wisse er nichts, da ihm der Pockennarbige weiter nichts mitgeteilt habe, denn dieser habe keine Zeit mehr gehabt, er habe selbst eilig irgendwohin gemußt, und es sei alles sehr hastig zugegangen. »Ich sah Sie abfahren«, fuhr Trischatow fort, »und jagte Ihnen nach.« Es war natürlich klar, daß auch dieser Pockennarbige vollständig orientiert war, da er Trischatow direkt zu Tatjana Pawlowna geschickt hatte; aber dies war wieder ein neues Rätsel.
    Damit jedoch kein Wirrwarr entsteht, will ich, bevor ich die Katastrophe schildere, alles der Wahrheit gemäß erklären und damit zum letztenmal vorgreifen.

IV
     
    Als Lambert damals den Brief gestohlen hatte, war er unverzüglich mit Wersilow in Verbindung getreten. Darüber, wie Wersilow mit einem Lambert hatte gemeinsame Sache machen können, will ich vorläufig nicht reden, davonspäter; das war vor allem ein Werk des »Doppelgängers«! Nachdem aber Lambert sich mit Wersilow ins Einvernehmen gesetzt hatte, entstand für ihn die Aufgabe, auf möglichst schlaue Weise Katerina Nikolajewna zu einer Zusammenkunft zu locken. Wersilow versicherte ihm auf das bestimmteste, daß sie nicht kommen würde. Aber Lambert hatte schon seit der Zeit, wo ich damals, vor zwei Tagen am Abend, ihm auf der Straße begegnet war und ihm prahlerisch erklärt hatte, ich würde ihr den Brief in Tatjana Pawlownas Wohnung und in Tatjana Pawlownas Gegenwart zurückgeben – Lambert hatte gleich von diesem Augenblick an eine Spionage eingerichtet, um über alles, was in Tatjana Pawlownas Wohnung vorging, orientiert zu sein; nämlich er hatte Marja bestochen. Er hatte ihr zwanzig Rubel geschenkt, sie am folgenden Tag, nachdem er den Diebstahl des Schriftstücks ausgeführt hatte, zum zweitenmal besucht, endgültig alles mit ihr verabredet und ihr für den zu leistenden Dienst zweihundert Rubel versprochen.
    Dies war der Grund, weshalb Marja, als sie kurz vorher gehört hatte, daß Katerina Nikolajewna um halb zwölf zu Tatjana Pawlowna kommen und auch ich anwesend sein würde, sogleich aus dem Hause gelaufen und in einer Droschke eilends mit dieser Nachricht zu Lambert gefahren war. Gerade das war es, was sie Lambert hatte mitteilen sollen – darin bestand der Dienst, den er von ihr verlangt hatte. Und nun hatte es sich

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