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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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abgenommen werden.«
    »Bei wem wollen Sie denn Klage führen? Hahaha! Es wird ein großartiger Skandal entstehen, und den Brief werde ich dem Fürsten zeigen! Und wo wird man ihn mirabnehmen? Ich bewahre Schriftstücke nicht in meiner Wohnung auf. Ich werde dem Fürsten den Brief durch eine dritte Person zeigen lassen. Seien Sie nicht störrisch, gnädige Frau, seien Sie mir vielmehr dankbar dafür, daß ich so wenig fordere; ein anderer würde außerdem noch eine Gefälligkeit verlangen ... Sie können sich wohl denken, was für eine ... eine Gefälligkeit, wie sie keine schöne Frau einem abschlägt, wenn sie in der Klemme sitzt, so eine ... hehehe! Vous êtes belle, vous!«
    Katerina Nikolajewna stand hastig von ihrem Platz auf, wurde dunkelrot und – spie ihm ins Gesicht. Dann ging sie schnell auf die Tür zu. Aber da zog dieser dumme Mensch, der Lambert, den Revolver heraus. Ein beschränkter Dummkopf, wie er war, hatte er blind an die Wirkung des Schriftstücks geglaubt; namentlich hatte er nicht beachtet, mit wem er es zu tun hatte, weil er eben, wie ich schon früher gesagt habe, bei allen Menschen eine ebenso gemeine Denkweise voraussetzte, wie er sie selbst besaß. Er hatte Katerina Nikolajewna gleich beim ersten Wort durch sein ungehobeltes Benehmen aufgebracht, während sie sonst vielleicht einem gütlichen Vergleich auf Grund einer Geldzahlung nicht abgeneigt gewesen wäre.
    »Nicht von der Stelle!« brüllte er, wütend darüber, daß sie ihn angespien hatte, ergriff sie bei der Schulter und zeigte ihr den Revolver – natürlich nur als Drohung. Sie schrie auf und sank auf das Sofa. Ich stürmte ins Zimmer, aber in demselben Augenblick kam durch die nach dem Flur führende Tür auch Wersilow hereingestürzt. (Er hatte dort gestanden und gewartet.) Ehe ich ihn noch recht hatte sehen können, hatte er Lambert den Revolver entrissen und ihn damit aus aller Kraft auf den Kopf geschlagen. Lambert taumelte und fiel bewußtlos zu Boden; das Blut strömte aus seinem Kopf auf den Teppich.
    Sie aber wurde bei Wersilows Anblick auf einmal leichenblaß; ein paar Sekunden lang sah sie ihn in unbeschreiblicher Angst starr an und fiel dann auf einmal in Ohnmacht. Er stürzte zu ihr hin. Diese ganze Szene habe ich jetzt nur wie ein vorüberhuschendes Nebelbild in der Erinnerung. Ich erinnere mich, mit welchem Schrecken ich damals sein rotes, beinahe purpurfarbnes Gesicht und dieblutunterlaufenen Augen sah. Ich glaube, daß er mich zwar im Zimmer bemerkte, mich aber wohl nicht erkannte. Er faßte die Bewußtlose, hob sie mit einer Kraft, wie sie ihm gar nicht zuzutrauen war, auf seine Arme, als wäre sie federleicht, und trug sie wie ein kleines Kind sinnlos im Zimmer umher. Das Zimmer war winzig klein, aber er wanderte von einer Ecke in die andere, offenbar ohne sich darüber klar zu sein, warum er es tat. In diesem einen Augenblick verlor er damals den Verstand. Er betrachtete fortwährend sie und ihr Gesicht. Ich lief hinter ihm her und hatte vor allem meine Besorgnisse wegen des Revolvers, den er in seiner rechten Hand vergessen zu haben schien und dicht neben ihrem Kopf hielt. Aber er stieß mich einmal mit dem Ellbogen, ein anderes Mal mit dem Fuß weg. Ich wollte schon Trischatow herbeirufen, fürchtete aber, den Wahnsinnigen dadurch zu reizen. Endlich schlug ich schnell die Portiere auseinander und bat ihn inständig, sie auf das Bett zu legen. Er trat heran und legte sie darauf; er selbst stand, über sie gebeugt, daneben und sah ihr wohl eine Minute lang unverwandt ins Gesicht; dann bückte er sich plötzlich und küßte zweimal ihre blassen Lippen. Oh, da begriff ich endlich, daß dieser Mensch bereits vollständig unzurechnungsfähig war. Auf einmal holte er gegen sie mit dem Revolver aus, aber dann schien er sich eines andern zu besinnen, drehte den Revolver um und richtete ihn gegen ihr Gesicht. Ich packte ihn sofort mit Aufbietung all meiner Kraft am Arm und schrie nach Trischatow. Ich erinnere mich, daß wir beide mit ihm rangen, aber es gelang ihm, seinen Arm loszureißen und auf sich zu schießen. Er hatte sie und nach ihr sich selbst erschießen wollen; aber da wir ihn hinderten, auf sie zu schießen, setzte er sich den Revolver gerade gegen das Herz; indes konnte ich ihm noch den Arm nach oben schlagen, und so traf ihn die Kugel in die Schulter. In diesem Augenblick stürzte, laut aufschreiend, Tatjana Pawlowna herein, aber er lag schon bewußtlos neben Lambert auf dem Teppich.

Dreizehntes

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