Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
Vom Netzwerk:
zufällig getroffen, daß in diesem Augenblick sich auch Wersilow bei Lambert befand. Und da hatte Wersilow im Nu diesen teuflischen Operationsplan ersonnen. Man sagt ja, daß Irrsinnige in manchen Augenblicken außerordentlich schlau sind.
    Der Operationsplan bestand darin, uns beide, Tatjana Pawlowna und mich, vor Katerina Nikolajewnas Ankunft um jeden Preis, wenn auch nur für eine Viertelstunde, aus der Wohnung zu locken. Sie selbst wollten auf der Straße warten und, sowie Tatjana Pawlowna und ich aus dem Hause waren, nach der Wohnung hinauflaufen, die ihnen Marja öffnen sollte, und auf Katerina Nikolajewna warten. Alfonsinka aber hatte die Aufgabe, uns unterdessen mit allen Mitteln aufzuhalten, wo und wie sie wollte. KaterinaNikolajewna aber mußte, wie sie versprochen hatte, um halb zwölf ankommen – also jedenfalls lange vor der Zeit, wo wir zurück sein konnten. (Selbstverständlich hatte Katerina Nikolajewna überhaupt keine Einladung von Lambert erhalten, und Alfonsinka hatte uns angelogen; das war eben die List, die Wersilow ersonnen hatte, und Alfonsinka hatte uns die Rolle der ängstlichen Verräterin nur vorgespielt.) Natürlich war das Ganze ein gewagtes Spiel, aber sie sagten sich ganz richtig: »Gelingt es, so ist es gut; gelingt es nicht, so ist noch nichts verloren, da wir ja das Schriftstück doch noch in Händen haben.« Aber es gelang, und es konnte auch gar nicht mißlingen, da schon allein der Gedanke: ›Wenn es nun alles wahr ist!‹ uns zwingen mußte, mit Alfonsinka davonzulaufen. Ich wiederhole es noch einmal: zum Nachdenken hatten wir keine Zeit.

V
     
    Ich lief mit Trischatow in die Küche und traf Marja in der größten Angst an. Sie hatte einen Schreck bekommen, als sie Lambert und Wersilow eingelassen und plötzlich in Lamberts Händen einen Revolver bemerkt hatte. Wenn sie auch das Geld von ihm angenommen hatte, so paßte doch der Revolver durchaus nicht in ihre Rechnung hinein. Sie wußte nicht, was sie tun sollte, und kaum erblickte sie mich, als sie auch auf mich losstürzte:
    »Die Generalin ist gekommen, und sie haben eine Pistole!«
    »Trischatow, warten Sie hier in der Küche«, ordnete ich an, »und wenn ich rufe, so kommen Sie mir schleunigst zu Hilfe!«
    Marja öffnete mir die Tür zu Tatjana Pawlownas Schlafzimmer, und ich schlüpfte hinein, in jenes selbe Kämmerchen, in dem nur Tatjana Pawlownas Bett hatte Platz finden können und in dem ich schon einmal zufällig gelauscht hatte. Ich setzte mich auf das Bett und suchte mir eine Spalte in der Portiere.
    Aber im Zimmer war bereits Lärm, und es wurde laut geredet; ich erwähne, daß Katerina Nikolajewna genau eine Minute nach ihnen die Wohnung betreten hatte. DenLärm und das Reden hatte ich schon von der Küche aus gehört: der Schreiende war Lambert. Sie saß auf dem Sofa, und er stand vor ihr und schrie wie ein Narr. Jetzt weiß ich, warum er damals in so dummer Weise alle Haltung verlor: er hatte es eilig und fürchtete überfallen zu werden; später werde ich darlegen, vor wem er sich eigentlich fürchtete. Den Brief hielt er in der Hand. Aber Wersilow befand sich nicht im Zimmer: ich machte mich bereit, beim ersten Anzeichen einer Gefahr hineinzustürzen. Ich gebe hier nur den Sinn des Gesprächs wieder, vielleicht habe ich auch vieles nicht richtig im Gedächtnis, aber ich war damals zu aufgeregt, als daß ich mich an alles genau erinnern könnte.
    »Dieser Brief ist dreißigtausend Rubel wert, und Sie wundern sich noch! Er ist hunderttausend wert, und ich verlange nur dreißigtausend!« rief Lambert laut und sehr heftig.
    Katerina Nikolajewna war zwar augenscheinlich erschrocken, blickte ihn aber mit verächtlicher Verwunderung an.
    »Ich sehe«, sagte sie, »daß mir hier eine Falle gestellt worden ist, und verstehe nicht, wie die Sache zusammenhängt. Aber wenn dieser Brief sich wirklich in Ihren Händen befindet ...«
    »Aber da ist er ja, sehen Sie selbst! Ist er es etwa nicht? Einen Wechsel über dreißigtausend Rubel und keine Kopeke weniger!« unterbrach Lambert sie.
    »Ich habe kein Geld.«
    »Schreiben Sie einen Wechsel – hier ist Papier. Und dann gehen Sie hin und beschaffen Sie das Geld; ich werde warten, aber nur eine Woche, nicht länger ... Wenn Sie das Geld bringen, gebe ich Ihnen den Wechsel zurück, und desgleichen dann auch den Brief.«
    »Sie reden in einem so sonderbaren Ton mit mir. Sie irren sich. Wenn ich hingehe und über Sie Klage führe, wird Ihnen dieses Schriftstück noch heute

Weitere Kostenlose Bücher