Der Jüngstre Tag
eichengetäfelten Wände schmückten.
»Muss sie wirklich ständig hier herumlungern?«, fragte Damian seinen Vater eines Tages und zeigte auf Mary-Claire. Die Männer spielten Billard. Das kleine Mädchen saß mit gekreuzten Beinen auf dem Boden und stützte das Kinn in die Hände. Die Leine des Hundehalsbandes war um die Lehne eines dick gepolsterten Sessels aus dem siebzehnten Jahrhundert gewickelt.
»Sie ist unsere Garantie«, knurrte Nigel.
»Sie geht mir auf die Nerven«, sagte Greg, der, ohne dass sein Bruder davon wusste, von Theresa gebeten worden war, sich für die Freilassung des kleinen Mädchens einzusetzen.
Jasper, dem Jennifer etwas versprochen hatte, »das er niemals wieder vergessen würde«, wenn er für Mary-Claires Freilassung sorgte, nutzte ebenfalls den günstigen Augenblick. »Jetzt kommen Mark und seine Leute ja sowieso nicht zurück. Wenn ihre Kiwi-Verwandten sie nicht aufhetzen, sind die Bauern so friedlich wie Schafe. Sie machen nicht den geringsten Ärger. Mary-Claire leistet überhaupt keinen Beitrag, wenn sie hier angeleint ist. Sie sollte arbeiten wie die anderen auch.«
»Wir können sie ja weiterhin zu den Mahlzeiten an den Tisch rufen, damit sie das Essen probiert«, fügte Damian hinzu.
»Ich denke darüber nach«, erwiderte Nigel, als er sich auf den nächsten Stoß vorbereitete.
Das Abendessen im Großen Saal ging dem Ende entgegen. Nigel erhob sich von seinem Stuhl und schlug mit der Faust auf den Tisch. Die Unterhaltungen verstummten augenblicklich. »Cheryl«, brüllte er. »Komm her.«
Cheryl fragte sich erschreckt, was sie falsch gemacht hatte, erhob sich und stieg schüchtern zum Podium hinauf, wo Nigel über ihr stand.
»Du kannst dieses faule kleine Miststück zurückhaben«, sagte er und zeigte auf Mary-Claire. »Wir haben genug von ihr. Sie lungert nur herum und tut nichts. Aber vergiss nicht, wenn du oder ein anderer aus der Reihe tanzt, wird sie verprügelt und kommt wieder an die Leine.« Er riss an der Leine, damit Mary-Claire aufstand, und reichte Cheryl die Leine. Sie verneigte sich und nahm sie entgegen.
»Danke, Euer Lordschaft«, sagte sie und versuchte, die Tränen der Erleichterung zurückzuhalten, doch es gelang ihr nicht. Der Rest der Gemeinschaft begann mit Ausnahme von Diana spontan zu klatschen. Diana war verblüfft. Nigel hatte nichts anderes getan, als sein begangenes Unrecht rückgängig zu machen, doch seine Verwandten klatschten, als handelte es sich um eine grenzenlose Großzügigkeit!
Nigel ließ sich wieder auf seinen Platz fallen. »Hör auf zu flennen, Frau. Du schickst sie zu jeder Mahlzeit zu uns hoch. Verstanden?«
»Gewiss, Euer Lordschaft«, erwiderte Cheryl, als der Applaus verstummte.
»Und … bist du schwanger?«, fragte Damian Cheryl, als sie an diesem Abend in sein Quartier kam. »Ich arbeite daran.«
»Ich hoffe, es klappt. Sonst überrede ich meinen Vater, dir Mary-Claire wieder wegzunehmen.« Cheryl diskutierte nicht lange und beschloss, ihm nicht noch einmal mit dem Brief zu drohen. Es hatte keinen Zweck. Sie war dennoch besorgt, denn ihr vernarbter Körper war für Jasper und Greg mit Sicherheit nicht besonders attraktiv. Ihre Möglichkeiten beschränkten sich auf Onkel Duncan und Nigel selbst. Cheryl wusste, dass die anderen Frauen immer furchtbar mitgenommen waren, wenn sie aus Nigels Schlafzimmer zurückkehrten. Die jungen Zwillinge Amy und Beatrice gerieten in Angst und Schrecken, sobald Diana ihnen mitteilte, dass Nigel ihre Dienste wünschte. Eine gute Alternative wäre das nicht.
»Warum verlangt Nigel niemals Theresa?«, fragte Duncan Diana verärgert, als Nigel seine beiden Nichten zum dritten Mal in einer Woche kommen ließ. »Sie müsste doch auch mal dran sein.«
»Es ist nicht meine Entscheidung, sondern Nigels. Ich weiß nicht, warum er sie nicht will. Vermutlich hat es etwas mit Miles zu tun. Sie war immerhin Miles’ Mädchen.«
»Und warum verbietet er Greg dann nicht, mit ihr zu schlafen?«
»Woher soll ich wissen, was in diesem kranken Hirn vorgeht?« Vermutlich wusste Nigel gar nicht, dass Greg mit Theresa schlief. Das würde Diana Duncan jedoch nicht sagen. »Jedenfalls hab ich keine Zeit, den ganzen Tag hier herumzustehen und zu plaudern. Ich muss arbeiten.« Mit diesen Worten beendete sie das Gespräch, drehte sich um und ging davon.
Diana hatte in der Tat viel Arbeit, aber keine, die ihr aufgetragen worden war. Während des Mittagessens hatte Nigel wieder einmal zu viel Wein getrunken,
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