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Der Jukebox-Mann

Der Jukebox-Mann

Titel: Der Jukebox-Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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weiteres Mal die Arme ausgestreckt, aber jetzt war sie nackt, so, wie sie zur Welt gekommen war. Das Gebrüll nahm kein Ende. Johnny konnte nichts sehen, Lennart sah auch nichts. Mist, warum sind wir nicht gegangen, als Swing fertig war, dachte Johnny. Was passiert denn jetzt? Er blieb sitzen, während alle anderen Männer im Zelt auf den Bänken hüpften. Wer sind wir? Ist das alles nur, weil wir Männer … Er sah sich um, fast erstaunt. Was sind das für verdammte Idioten? Ingrid ist nicht in einem Film. Sie hört, sie sieht. Ich hatte es vergessen. Oder fällt es mir nur auf, weil ich sie kenne? Wäre ich sonst so wie die hier?
    »Was passiert da eigentlich?«, fragte Lennart. Er sah ganz klein aus auf der Bank. »Was machen die da vorn?«
    »JAHOOO!«, schrie einer der Männer auf der Bank vor ihnen.
    »Nichts«, sagte Johnny, »wir gehen.«
    »Ist es vorbei?«, fragte Lennart.
    »Es ist so sehr vorbei, wie es nur vorbei sein kann.«
    Johnny stand auf. »Für uns ist es schon lange vorbei.«
     
    Die Dunkelheit hatte sich gesenkt. Sie waren eingehüllt von Farben, die Farben gehörten zum Jahrmarkt, jetzt waren sie viel kräftiger und bewegten sich, orange, rot und gelb, alles bewegte sich, und Johnny dachte, von ferne gesehen könnte es wirken, als hinge alles zusammen, als wären alle Autoskooter und Karussells und rotierenden Raketen ein einziges schaukelndes Karussell.
    Von irgendwoher tönte aus einem Lautsprecher krächzende Musik. Das Feld war jetzt voller Menschen, Familien, Kinder, einsamer Männer, die sich mit energischen Schritten bewegten, wie um zu zeigen, dass sie nicht allein waren, dass sie ein Ziel hatten: den Schießstand, die Würstchenbude, den Losverkäufer, weiß der Geier.
    Johnny hörte Schreie von den Autoskootern und das dumpfe Geräusch, wenn sie zusammenkrachten. Der Gummischutz an der Vorderfront der Skooter schien derselbe wie vor zehn Jahren zu sein.
    »Ich lad dich zu einer Karambolage ein«, sagte er und nickte zur Bahn.
    Sie gingen hin. Es war gerade Zeit für eine neue Runde. Die Skooter füllten sich rasch.
    »Steig ein«, sagte Johnny und zeigte auf den Skooter, der ihnen am nächsten war. »Es ist der letzte. Ich bezahle inzwischen.«
    »Und was ist mit dir?«
    »Ich nehm die nächste Runde. Und du kriegst zwei Fahrten.« Er lächelte. »Wir müssen ja richtig zusammenstoßen.«
    »Das wird aber teuer …«
    »Nun geh schon, ehe ein anderer dir das Auto wegschnappt.«
    Lennart schaffte es gerade vor einem etwa Zwanzigjährigen. Er sprang in das Auto und winkte Johnny zu, der bezahlen ging.
    Der Strom wurde eingeschaltet. Die Autos bewegten sich in alle Richtungen. Lennart krachte in ein Auto vor ihm und wurde gleichzeitig von hinten gerammt. Das war ja der Sinn des Ganzen. Johnny sah die Konzentration im Gesicht des Jungen.
    »Hübscher Junge.«
    Sie stand neben ihm. Die mythologischen Locken waren jetzt verschwunden und sie trug ein modisches einfaches Kleid.
    »Er sieht seiner Mutter ähnlich«, sagte Johnny.
    »Ist es etwas Ernstes?«
    »Was?«
    »Mit der Mutter natürlich.«
    »Nein, nein.« Er sah, wie Lennart eine Kurve schaffte, ohne angefahren zu werden. Er lernte schnell. Jetzt rammte er mit voller Kraft das Auto vor ihm. »Nein, nein«, wiederholte Johnny und wandte sich zu Ingrid um. »Ich hab deinen Auftritt gesehen. Oder besser gesagt gehört.«
    Sie lächelte nicht.
    »War der Junge dabei?«, fragte sie.
    »Er … hat nichts gesehen. Wir waren wegen Sune da.«
    »Er ist der große Star«, sagte sie, und jetzt lächelte sie ein hauchdünnes Lächeln. »Star der Starshow.« Sie suchte Johnnys Blick. »Was meinst du, wie lange ich noch im Showbusiness weitermachen kann?«
    »Tja …«
    »Ach nee, klar, du hast mich ja nicht gesehen. Du kannst es gar nicht wissen.«
    »Es hängt wohl von dir ab, Ingrid.«
    »So einfach ist es nicht, John. Wer sich der Kunst verschrieben hat, dem bleibt keine Wahl. Sie ist es, die einen bestimmt. Man kann gar nichts tun. Man ist einfach ein Künstler, egal, ob man will oder nicht.«
    »Ich verstehe.«
    »Wie gut, dass du es verstehst.«
    »Nun sei nicht böse … auf mich, Ingrid.«
    Sie antwortete nicht. Sie hatte eine Zigarettenschachtel hervorgenommen, steckte sich eine Zigarette in den Mund und Johnny gab ihr mit einem Streichholz Feuer. Während er das tat, fiel ihm ein, dass er den ganzen Nachmittag und Abend keine einzige Zigarette geraucht hatte. Ihr Gesicht war scharf umrissen im Licht der Flamme, dünn wie das Lächeln

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