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Der Jukebox-Mann

Der Jukebox-Mann

Titel: Der Jukebox-Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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in einer kreisförmigen Bewegung über dem Kopf.
    »Weißt du, wer das ist?«
    »Nein …«
    »Zweimal darfst du raten.«
    »Aphrodite.«
    »Falsch.«
    Sie streckte die Arme seitwärts aus.
    »Das ist Aphrodite.«
    »Wo ist da der Unterschied?«, fragte Johnny.
    »Aphrodite stammt aus Griechenland und Venus aus Rom.«
    »Ich meine in den Bewegungen.«
    »Das ist ein Berufsgeheimnis«, sagte sie.

18
    Im Zelt hing ein Geruch nach Landleben und Erwartung, nach Dünger, Pferd und mehreren Schichten Schweiß. Es war eine andere Art Zeltbegegnung, aber auch hier war die Erregung groß, und vieles war wie in Jesu Zelt. Die Gesichter waren rot, die Augen glänzend und aufwärts gerichtet, und einige Männer gaben Laute von sich, die niemand außer ihnen verstehen konnte. Unterschiede waren der Alkoholgeruch, der stärker war als selbst der Geruch nach Tieren, und der Rauchgestank. Der Qualm hatte sich bereits wie eine Wolke über den Gläubigen gesammelt. Viele der Männer waren Pferdehändler, die eine Feilschpause unten am Hügel einlegten. Dies Varietépublikum bestand nur aus Männern. Johnny saß auf der letzten Bank, dem Ausgang am nächsten, und Lennart saß neben ihm.
    »Ich kann nichts sehen«, sagte Lennart. »Vor mir sind lauter große Männer.«
    »Gut.« Johnny drehte den Kopf. »Du solltest ja auch überhaupt nicht hier sein. Wenn es zu … tja, zu sehr für Kinder verboten wird, schick ich dich durch die Öffnung raus.«
    »Aber von hier aus kann ich Mister Swing nicht sehen.«
    »Wenn er auftritt, musst du eben auf die Bank steigen.«
    »Und wenn die anderen vor mir auch auf die Bank steigen?«
    »Nicht wegen Mister Swing«, sagte Johnny.
    »WIIILLLLKOMMEN IM VARIETE DE PAAAARII«, ertönte es aus den krächzenden Lautsprechern, ein Gebrüll von irgendwo hinter der Bühne, und Johnny erkannte Gregers Stimme. Jetzt hatte der Conférencier mit wogendem Cape sein effektvolles Entree und die Pferdehändler wieherten ihre Wertschätzung. Die Show begann. Greger wandte sich mit einer einladenden Verbeugung nach rechts. Der alte Jupiter kam auf seinem Minifahrrad auf die Bühne, und Johnny hörte das Schlurfen von Jupiters Galoschen, wenn sie den Boden unter den Fahrradpedalen berührten. Jupiters Gesicht war rund und angespannt, konzentriert auf die Aufgabe.
     
    Als Mister Swing die Stricknadeln durch seine Wangen stach, stand Lennart auf der Bank. Er hielt sich die Augen zu, spähte aber zwischen den Fingern hindurch.
    Er beugte sich zu Johnny hinunter, der sitzen geblieben war.
    »Es tut nicht weh.« Dann sah Lennart wieder Mister Swing an, der die Nadeln durch sein Gesicht bohrte. »Er fühlt nichts.«
    »Gut zu wissen«, sagte Johnny.
    Swing zog die Nadeln heraus und hielt zeremoniell eine Karaffe mit Petroleum hoch. Er nahm einen Mund voll, griff nach der Fackel, die an einem wackligen Gestell an der Wand hing, hielt sie sich vors Gesicht, spie Petroleum ins Feuer und die Flammen leckten wie Zungen an den vorderen Bankreihen. Zwei Männer in derben Anzügen warfen sich zurück und wurden von den hinter ihnen sitzenden Männern aufgefangen. Durch das Zelt ging eine Woge von Gelächter. Das Publikum bekam, was es erwartet hatte. Dabei stand das Beste noch bevor.
     
    Ingrid reckte die Arme in den Himmel, der langsam dunkel wurde über dem Zeltdach. Sie hatte ein Diadem im Haar. Ihr Blick ging in die Ferne, Millionen Lichtjahre von diesem stinkenden Zelt entfernt. Johnny sah Lennart von der Seite an, der sich wieder hingesetzt hatte. Es war sinnlos, auf die Bank zu steigen, da jetzt sämtliche Kerle im Zelt, die ganze Versammlung, auf den Bänken standen. Johnny blieb sitzen. Er sah Ingrids Hände über all den Schädeln, mehr nicht. Durch den Körper des Mannes, der vor Johnny stand, ging ein Zucken, als ob er in Stücke zerbrechen würde. Er begann in Zungen zu sprechen. Johnny sah Ingrid mit dem Finger gen Himmel zeigen.
    »DIE GÖTTIN DER LIIIIEBE!«, schrie Greger ins Mikrophon. »DAS GROSSE WUNDERWERK DES HIMMELS UND UNIVERSUMS, DIE WUUUUNDER-SCHÖNE APHRODITE IST NUN ZU UNS AUF DIE ERDE HERABGESTIEGEN, HERUNTER INS VARIETÉ DE PAAARIII, UND SIE KOMMT, WIE IHR VATER URANUS SIE AUS DEM SCHAUM DES MEERES ERSCHAFFEN HAT! MEINE HERRSCHAFTEN, HIER UND NUR HIER: DIE NACKTE SCHÖNHEIT DER LIEBE!«
    Das Gebrüll im Zelt blies den Rauch unter der Zeltdecke in den Abend hinaus. Johnny wusste, was dort vorn auf der Bühne passierte. Ingrid hatte das antike Gewand auf die dreckigen Planken fallen lassen und ein

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