Der Jukebox-Mann
Lappen aus dem Kofferraum hingelegt, um die Torpfosten zu markieren. Lennart war gut im Antäuschen. Es gelang ihm zweimal hintereinander, Johnny auszutricksen.
»Du bist ja der reinste Garrincha«, sagte Johnny und wischte sich den ersten Schweiß von der Stirn.
»Och.«
»Weißt du, wer Garrincha ist?«
»Ja … ein Brasilianer.«
»Der beste Brasilianer«, sagte Johnny. Er nahm Lennart den Ball ab und täuschte erst links an und spielte dann rechts. »Ich hab ihn bei der Weltmeisterschaft im Fernsehen gesehen. Achtundfünfzig.«
»Da war ich erst fünf Jahre alt«, sagte Lennart.
»Aber du weißt, wer Garrincha ist.«
»Ich kann ja lesen«, sagte Lennart.
Johnny lächelte.
»Er ist der Beste.«
»Ist nicht Pelé der Beste?«, fragte Lennart.
»Nein«, sagte Johnny, umrundete Lennart, lief die zehn Meter über den Platz und schoss den Ball zwischen die ölfleckigen Lappen.
»Toooor!«, rief er und riss die Arme hoch. »Johnny Garrincha Bergman.«
»Das war gemein«, sagte Lennart. »Du hast mich überrumpelt.«
»Du hast doch schon drei Tore geschossen«, sagte Johnny.
»Eins muss ich ja wohl auch schießen dürfen.«
Lennart lief dem Ball nach, bevor Johnny ihn holen konnte. Er war ein guter Fußballspieler. Im Ort gab es bestimmt eine Jungenmannschaft, in der er gespielt haben musste. Allein konnte er sich das Dribbeln und Antäuschen nicht beigebracht haben, selbst wenn er schon mal was über Garrincha gelesen hatte. Irgendetwas war passiert. Ich weiß, was passiert ist. Hatte Bertil ihm Tricks beigebracht? Nein. Bertil war kein Fußballspieler. Angler vielleicht, Brassenangler, eine Milliarde Gräten. Torwart vielleicht, irgendwann in der Abenddämmerung. Papa, Papa, hältst du den? Hältst du den? Hältst du DEN!?
»HÄLTST DU DEN?!«, rief Lennart von der anderen Seite des Platzes und schoss, der Ball kam sehr schnell und hatte einen Drall, da half es nichts, dass Johnny sich ihm entgegenwarf.
Der Ball war unter den Duett gerollt, und Johnny wollte ihn holen. Er bückte sich und sah, dass der Ball sich unterm Motorblock festgeklemmt hatte. Er musste um das Auto herumgehen und darunterkriechen. Der Ball war voller Motoröl. Das war keine Überraschung. Er wischte es im Gras ab.
»NOCH MAL!«, rief er und warf den Ball zu Lennart zurück. Dann verschob er die Torpfosten, damit das Tor das richtige Maß bekam.
»Den Nächsten krieg ich«, sagte er und ging in Stellung, um den Ball zu halten, und Lennart schoss.
21
Sie tranken Wasser in der Küche, ein Glas nach dem anderen. Im Flurspiegel hatte Johnny gesehen, wie rot er war. Ihm ging es gut. Die Zigarette, die er geraucht hatte, nachdem sie fast zwei Stunden lang aufs Tor geschossen hatten, hatte ihm nicht geschmeckt. Du solltest in einer Mannschaft spielen, hatte er zu Lennart gesagt. Der Junge könnte ein Garrincha werden, mit geraderen Beinen. Nicht hier, hatte Lennart gesagt, nicht in dieser Stadt. Du solltest spielen, hatte Johnny wiederholt. Du auch, hatte Lennart geantwortet. Hast du nie in einem Club gespielt? Ich hatte nie Zeit, hatte Johnny geantwortet, und das war fast die Wahrheit.
Es war wieder Abend geworden. Wieder kam die Dunkelheit überraschend, wie es immer im August war. Man wusste, dass es so war, und doch war man überrascht. Es waren nur noch zwei Tage bis zum September.
Lennart hatte das Transistorradio eingeschaltet, das auf der Küchenanrichte neben dem Brotkasten stand, mitten in die Nachrichten, und die Stimme war dieselbe wie immer. Lennart hatte sie sehr laut gestellt: Bei Rassenunruhen in Philadelphia in den USA waren am heutigen Vormittag zur Ortszeit Hunderte von Menschen verletzt worden. Lennart stellte das Radio leiser.
»Bedeutet Rassenunruhen, dass Neger und Weiße sich gegenseitig verprügeln?«, fragte er.
»Ja … aber es sind wohl vor allem die Neger, die protestieren«, antwortete Johnny. »Erinnerst du dich, wir haben doch vom amerikanischen Süden gesprochen.«
»Liegt Philadelphia im Süden?«, fragte Lennart.
»Ich … glaube nicht«, sagte Johnny. »Es liegt wohl etwas weiter nördlich.« Er lächelte. »Ich weiß ehrlich gesagt nicht so genau, wo der Süden anfängt oder wo er endet.«
»Ich hab einen Atlas«, sagte Lennart und lief rasch aus der Küche.
Johnny trank noch ein Glas Wasser. Er fühlte sich im Augenblick immer noch wohl in seinem Körper, vielleicht auch in der Seele. Er öffnete das Fenster und atmete die Düfte des Abends ein. Der Duett schimmerte im Mondlicht. Er
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