Der Jukebox-Mann
nicht mehr her. Es waren ja nie viele, aber jetzt kommt keiner mehr.«
»Vielleicht können wir Fußball spielen, wenn ich da bin. Wenn es nicht zu spät wird.«
»Das würde ihm gefallen.«
»Ich hab irgendwo einen Ball rumliegen, den werde ich aufpumpen.«
»Sei bloß vorsichtig«, sagte sie.
Er merkte, dass jetzt etwas anderes in ihrer Stimme war, wie ein kleines Licht, das vorher nicht da gewesen war.
»Wieso?«
»Du wirst doch fünfunddreißig, oder? Ich dachte an Verletzungen. Beim Fußball.«
»Nett von dir, Elisabeth. Aber ich mach den Linienrichter und ihr beide kickt. Du bist ja noch jung.«
»Das hast du auch sehr nett ausgedrückt.«
»Ich muss mir noch ein Geschenk einfallen lassen«, sagte er.
»Es genügt, dass du kommst.«
»Nee, ohne ein Geschenk zum Geburtstag zu kommen ist Mist.«
»Hast du denn selbst einen Wunschzettel?«, fragte sie.
»Ich brauche nichts«, sagte er. »Höchstens eine neue Zündkerze für den Duett.«
»Oder vielleicht einen ganz neuen Duett?«
»Einen neuen De Soto«, sagte er.
»Was ist das?«
»Den werde ich dir irgendwann mal zeigen«, antwortete er. »Den wirst du nie vergessen.«
Er aß ein Käsebrot. Der Montagabend ging in Nacht über. Er war noch nicht bereit für den Schlaf. In seinem Körper juckte es hier und da. Er wusste, was es war. Er brauchte einen Klaren. Im Vorratsschrank gab es Limonade, aber keinen Schnaps. Er wusste es, trotzdem stand er vor der geöffneten Tür. Er schloss die Augen und versuchte, daran zu denken, wie sehr er ihn brauchte, und dann, wie viel er zu brauchen meinte. Er streckte die Hand aus. Sie zitterte nicht. Mehrere Tage lang oder besser gesagt Abende hatte er nicht daran gedacht. Warum hatte er nicht an Schnaps gedacht? Weil er gearbeitet hatte, er hatte gearbeitet und war abends mit dem Auto unterwegs gewesen. Aber das war früher auch so gewesen, das hatte ihn nicht vom Trinken abgehalten.
Er ging vor die Tür und zündete sich eine Zigarette an. In der Luft hing immer noch ein trockener Geruch. Vielleicht kam er von der Werkstatt, wo Bosse Kula Eisen geschweißt hatte. Von fern näherte sich ein Güterzug, der dann durch die Stadt brauste. Es war ein starkes Geräusch, das sich in Richtung Norden entfernte, während die Schranken hochgingen. Er hörte ein Auto und sah es dann an der anderen Seite von Blomstrands vorbeifahren. Es war ein Opel Kapitän, aber den Fahrer konnte er nicht sehen. Blomstrand hatte Schnaps. Blomstrand würde nichts sagen, wenn er bei ihm anklopfte. Wahrscheinlich hatte er ihn längst gesehen und hielt schon die Flasche bereit. Schenken würde er sie ihm nicht. Johnny zog an seiner Zigarette. Es schmeckte zum Abgewöhnen. Die letzte Zigarette schmeckte immer zum Abgewöhnen. Sollte er wirklich aufhören? Sich mit der vorletzten begnügen? Er lächelte. Würden Filter helfen? Nein. Filter waren nichts für ihn. Filter. Der nächste Schritt war Minden oder Cool, man muss aufpassen. Er sah auf die rote Ritzschachtel, die im Nachtlicht schwarz und grau war. Auf Dauer war das Rauchen bestimmt auch gefährlich, wie der Schnaps. Irgendwo hatte er gelesen, dass man vom Rauchen krank werden konnte. Aber es wurde ja so viel geschrieben.
Er drückte die Kippe in dem Sand der Kaffeedose aus, die auf dem Balkongeländer stand, und versuchte frische Luft in die Lungen zu ziehen, atmete dreimal tief ein und spürte wieder den Juckreiz im Körper, ging hinein und hielt den Schädel unter den laufenden Kaltwasserhahn, bis er gar nichts mehr spürte.
4
Er wurde von einem Geräusch wach, das in seinen Schlaf gedrungen war, aber nicht Teil eines Traums war. Er streckte sich nach dem Wecker und sah, dass er in zehn Minuten aufstehen musste. Er setzte sich im Bett auf, und jetzt hörte er das Hundegebell von den Hinterhöfen. Ein verrückter Köter.
Durchs Küchenfenster war nichts zu sehen. Das Bellen hörte auf. Draußen fuhr ein leerer Laster vorbei. Von der Ladefläche stieg eine Art Staub auf. Er sah Blomstrand auf seine Werkstatt zugehen – ein gebeugter Gang – und langsam die schwere Tür öffnen.
Johnny saß mit der Kaffeetasse da und hörte sich die Nachrichten an. Die Radiostimme klang ruhig. Von Cape Kennedy sollte die Mondrakete Ranger VII gestartet werden.
Nach dem Frühstück ging er ins Zimmer und nahm die Kassenbücher aus dem alten Büfett, das der Vormieter hatte stehen lassen. Er kehrte an den Küchentisch zurück und setzte sich.
Plötzlich war er müde. Es war nicht nur die
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