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Der Jukebox-Mann

Der Jukebox-Mann

Titel: Der Jukebox-Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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sie rein!«, rief Eskil.
    Johnny nahm den Schnapsgeruch des Mannes wahr, der einen halben Meter von ihm entfernt stand. Eskil Skörd war der Friseur des Ortes, und er trank. Er war ein oder zwei Jahre älter als Johnny, und er hatte weitergetrunken, als Johnny anfing es einzuschränken.
    Während Eskil darauf wartete, dass Johnny die Box öffnete, drückte er die Tastenkombination für die Platte, für die er schon eine Fünfundzwanzig-Öre-Münze eingeworfen hatte. Die Hand zitterte, der Finger zitterte. Johnny konnte es nicht lassen, den Finger anzustarren. Was sagte ein Kunde, der rasiert werden wollte, wenn sich Eskils Hand mit dem Messer näherte? Was würde jemand sagen, der ins Kinn geschnitten wurde? Ach ja, ach ja, der Schnaps. Was würde Eskil antworten? Dass die Haut auch nicht mehr das ist, was sie mal war, wird immer empfindlicher.
    Die Musik erfüllte das Café Phoenix, The House Of The Rising Sun.
    »Die ist Samstag rausgeflogen«, sagte Eskil.
    »Das hab ich gehört.«
    »Du nimmst sie doch hoffentlich nicht raus?«
    »Nein, nein.«
    » They caaalll the riising sun «, sang Eskil und lächelte. Seine Augen waren glasig, fast durchsichtig. Johnny vermutete, dass er zwei Gläser Klaren in seinem Kabuff links von den Spiegeln und den zwei Frisierstühlen getrunken hatte. Eskil hatte Schnaps getrunken und sich dann mehr Brillantine ins Haar geschmiert.
    Das waren zwei starke Gerüche, die hier im Café immer noch wahrzunehmen waren, aber sie kamen gewissermaßen von zwei Seiten, wie Stereo.
    »Was machst du danach?«, fragte Eskil.
    »Danach? Wieso?«
    »Wenn du hier fertig bist? Hast du was vor?«
    »Ich hab viel vor, Eskil.«
    »Ich wollte dir was zeigen.«
    »Ich hab wenig Zeit.«
    »Zu Hause.« Die Musik verstummte, das Brausen der Orgel erstarb. »Eigentlich nicht ich, sondern mein Alter, der wollte dich fragen, ob … ob du was kaufen willst. Oder du es vielleicht für ihn verkaufen … weiterverkaufen kannst.«
    »Ach? Hat das was mit dem hier zu tun?« Johnny breitete die Arme aus mit einer Bewegung, die die Jukebox, die Tasche mit den Platten und den Duett vor der Tür umfasste.
    »Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, was es ist. Aber er meint, du bist … na, so was wie ein Sammler und …«
    »Ich bin kein Sammler«, unterbrach Johnny ihn.
    »Nee … er hat wohl gemeint, dass du was vom Sammeln verstehst … dass du vielleicht schätzen kannst, ob die Sache was wert ist oder so.«
    »Dein Alter hat etwas, das ich schätzen soll?«
    »Ja … so hab ich es verstanden.«
    »Und du weißt nicht, was es ist? Ist es eine Jukebox?«
    »Ich weiß es nicht, Johnny. Ich hab keine Jukebox bei ihm gesehen. Und ich hab ihm beim Umzug geholfen, das wäre mir ja wohl aufgefallen, wenn eine Jukebox bei den Möbeln gewesen wäre, oder?«
    Eskil legte seine Hand auf die Tempo, als wollte er zeigen, was er meinte.
    »Wir können in einer halben Stunde hinfahren«, sagte Johnny.
     
    Das Haus lag drei Häuserblocks entfernt, auf der Mejerigatan. Die Luft roch säuerlich nach der Molkerei, an der sie vorbeikamen. Im Auto hing ein schwerer Geruch nach Fusel und Brillantine, und jetzt kam noch der starke Geruch von draußen hinzu. Meine Nase muss heute Schwerstarbeit leisten, dachte Johnny, als er aus dem Auto stieg.
    Eskil klopfte an die Tür und drückte sie dann auf. Johnny folgte ihm ins Haus.
    »Vater?«
    Irgendwo im Haus räusperte sich jemand, einmal und noch einmal. Eskil gab Johnny ein Zeichen mit dem Kopf in Richtung Vorraum.
    »Wir sind da, Vater.« Eskil schloss die Tür, und der Vorraum wurde sonderbar dunkel, wie in einem Verlies. »Ich hab Bergman mitgebracht.«
    Gösta Skörd erschien in der offenen Küchentür, eine Silhouette und wieder ein Räuspern. Johnny war dem Mann in den vergangenen Jahren hin und wieder begegnet, auf der Straße, auch mal im Phoenix. Vater Skörd war immer allein gewesen, und er hatte immer gewirkt, als hätte er sein ganzes Leben allein verbracht. Die Einsamkeit umgab ihn wie ein Ring aus Stille, hatte Johnny einmal gedacht, ein Kreis, und auch der Sohn war davon umgeben, wie er zum Beispiel neben der Jukebox gestanden hatte und Laute und Licht gleichsam an ihm vorbeigeglitten waren und sich auf seiner anderen Seite wieder vereinigt hatten. Johnny hatte es im Lauf der Jahre im Phoenix beobachtet. Dorthin ging Eskil, wenn er nicht gerade Leuten das Gesicht zersäbelte und die Ohren einschlitzte. Er hatte eine Wohnung über dem Frisiersalon, aber dort war Johnny nie gewesen.

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