Der Jukebox-Mann
Durchs Fenster sah er sein Auto und ihr Auto, angeleuchtet von der sich ausbreitenden Dämmerung. Vielleicht galt ihre Geste auch dem, was er durchs Fenster sah.
»Machst du das schon lange?«, fragte sie.
»Das kann man wohl sagen«, antwortete er.
Sie schien noch etwas sagen zu wollen, kehrte dann jedoch rasch zu ihrem Tisch zurück, ergriff ihre Handtasche, die neben dem Aschenbecher lag, und verließ den Raum, ohne ihn anzusehen. Ihr Gesicht wirkte plötzlich sehr verschlossen, als ob sie eine ganz andere geworden wäre.
Johnny sah sie die Tür des Amazon zuschlagen, zehn Meter zurücksetzen und dann in dieselbe Richtung fahren, aus der er gerade gekommen war.
Im Laden wartete Margareta auf den Ladenschluss. Sie war auch seit neunundfünfzig hier. Er wusste, dass sie heute Abend an Stelle von Elisabeth arbeitete.
Er hatte das Bedürfnis, die Augen zu schließen. Die Leuchtröhre im Laden war grell. Er spürte, wie das Licht durch seine Augenlider drang, er strich sich über die Stirn und rieb mit dem Daumen sein rechtes Auge.
»Hast du Kopfschmerzen, Johnny?«
»Ja.«
»Vielleicht hab ich was in der Küche.«
Er wartete im Laden und hörte den Wasserhahn laufen hinter der Schwingtür mit dem runden Fenster, wie auf einem Schiff. Er schaute auf seine Armbanduhr. Gegen halb neun, hatte er zu Elisabeth gesagt. Rechne nicht eher mit mir.
Es war schon nach acht. Margareta kam mit einem Glas sprudelndem Wasser zurück. Sie sah aus wie eine Mutter. Sie reichte ihm das Glas, in dem es spuckte und zischte. Eine andere Frau hätte mit ihrem Gebräu vielleicht wie eine Hexe ausgesehen, aber Margareta nicht. Er dachte an die Frau im roten Kleid.
»Eine Schmerztablette«, sagte Margareta, »mit Kodein.«
Er nahm das Glas und trank, aber mehr aus Durst.
»Geht’s jetzt an den See?«, fragte sie.
Elisabeth hatte Margareta offenbar nichts von der Geburtstagsfeier erzählt. Das war gut. Er wusste nicht genau, warum er das gut fand. Aber es ging nur ihn und Elisabeth etwas an. Und Lennart.
»Danke«, sagte er und gab ihr das Glas zurück. Dann ging er hinaus und spürte die Kühle des Abends schon auf der Treppe. Dort drinnen war ihm heiß geworden. Wieder war ein Zug zu hören, ein Pfeifen in der Ferne.
Man konnte die Nacht schon fast ahnen, als er vor dem Mietshaus in der Parallelgatan parkte. Bald würden die Augustabende kommen, feucht und dunkel, mit einem besonderen Duft nach Erde, den es seit Monaten nicht gegeben hatte. Es war schon so dunkel und verhangen, dass er die Beleuchtung in Elisabeths Wohnung sehen konnte, zwei gelbe Fenster. Vielleicht war eine Silhouette oben am Fenster, etwas, das sich bewegte.
Der Kasten, den er zum Hauseingang trug, war leicht. Über der schweren Tür stand B2, das könnte irgendein Song sein. Elisabeth hatte darüber einmal einen Scherz gemacht. Sie hatte gesagt, es bestehe ein interessanter Zusammenhang zwischen den Ziffern und Buchstaben in einer Jukebox. Interessant inwiefern?, hatte er gefragt. Sonst dreht sich immer alles um entweder oder, hatte sie geantwortet. Buchstaben oder Ziffern. Aber hier gehören sie zusammen. Bedeutet das etwas?, hatte er gefragt. Er hatte nicht gesagt, dass ihm auch schon mal so eine Überlegung durch den Kopf gegangen war. Muss es was bedeuten?, hatte sie zurückgefragt. Es genügt doch, dass es einfach so ist.
Der Wind kam wie in einer Spirale, als er das Haus betrat. Es war wie fast immer, ein Windhauch voller Erinnerungen, manchmal stärker, manchmal schwächer. Vor ihrer Wohnungstür roch es nach Essen, und der Duft erschien ihm warm.
7
Als Elisabeth die Tür öffnete, erkannte er den warmen säuerlichen Geruch, den er schon im Treppenhaus wahrgenommen hatte. Es war »Janssons Verführung«, ein Auflauf mit Anschovis.
»Entschuldige, dass ich mich etwas verspätet habe«, sagte er.
»Nur eine Viertelstunde«, antwortete sie. Ihr Gesicht war hell im Licht der Treppenhausbeleuchtung. »Es hätte ja auch sein können, dass du den ganzen Abend arbeiten musst.«
Er reichte ihr den länglichen schmalen Kasten. Quer würde er nicht durch die Tür passen.
»Ich bekomme kein Geschenk«, sagte sie. »Das darfst du dem Geburtstagskind selbst überreichen.«
»Wo ist er?«
»Willst du nicht erst mal reinkommen?«
Lennart gab ihm die Hand und machte einen Diener. Seine Haare sahen frisch geschnitten aus, ein perfekter Scheitel in dem hellbraunen Haar, das von Sonne und Wind ausgebleicht war, vielleicht auch vom Baden. Er trug ein
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