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Der Jukebox-Mann

Der Jukebox-Mann

Titel: Der Jukebox-Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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stehen?«
    »Fünf, glaub ich.«
    »Fünf?!«
    »Ungefähr.«
    »Was zum Teu… für fünf muss ich ja Vergnügungssteuer zahlen!? Das ist ja gelogen! Ich hab doch nur zwei Boxen.«
    »Wenn die Steuerprüfung kommt, sag ihnen, dass die Papiere offenbar nicht stimmen«, sagte Johnny. »Hast du das bisher nicht sowieso gesagt?«
    »Die sind nur wegen … der da hier gewesen.« Stewe zeigte mit dem Bierglas zur Wurlitzer.
    »Dann stimmen die Papiere wohl wirklich nicht«, sagte Johnny.
    »Äh … was?«
    »Ich muss jetzt los, Stewe.«
    »Aber warte mal … wie häng…«
    » Good evening «, sagte Johnny und ging durch den Vorraum auf die offene schwere Tür zu.
    »BEI WEM BIST DU EINGELADEN?«, hörte er Stewe rufen, aber er antwortete nicht. Stewe wusste, dass er keine Antwort bekommen würde.
    Johnny fühlte sich seltsam belebt, als er in der Abendbrise auf der Treppe stand. Auf Jukeboxen gab es gar keine Vergnügungssteuer. Das war ein alter Scherz zwischen Stewe und ihm.
    Er ging zum Auto. Sie befanden sich an der Grenze zum Spätsommer, und die Dämmerung kam schneller als noch vor einer Woche, Tag und Nacht waren schärfer abgegrenzt, genau wie Abend und Nacht.
    Vor der Würstchenbude standen zwei Mädchen und drei Jungen. Johnny hörte sie lachen und sah Zigarettenasche aufglühen. Wie durch den Anblick der glühenden Zigarette verursacht, spürte er plötzlich eine raue Trockenheit im Hals, und er musste husten.
    Der Kasten auf dem Rücksitz des Duetts strömte einen schwachen Duft nach Eisen aus, kaum wahrnehmbar.
    Er fuhr vom Parkplatz. Auf der anderen Seite der Straße ragte still und hoch das Schulgebäude auf. Ganz kurze Zeit hatte er dort drinnen verbracht, ein halbes Jahr. Es war wie in einem Gefängnis gewesen. Er fuhr ostwärts daran vorbei. Das Gebäude warf ihm einen Schatten nach. Die Fenster seines Klassenzimmers waren auf der Rückseite gewesen, zu einem Wald hinaus, vielleicht gab es den noch. Er hatte Tannenwipfel und dahinter den Himmel gesehen. Auf den Bäumen hatte Schnee gelegen. Er hatte immer nasse Füße gehabt, eine kalte Nässe, die seine Füße rot und rau gemacht hatte. Hatten sie die Strümpfe ausgezogen und zum Trocknen aufgehängt? Er konnte sich nicht erinnern.
    Er erinnerte sich, dass er Seved nirgends in der Schule finden konnte. Sie hatten gesagt, Seved sei dort, aber das stimmte nicht, und er würde auch nicht kommen. Das hatte er begriffen. Er war allein. Er war still geworden. Er hatte zu den Baumwipfeln und in den Himmel geschaut und gewünscht, er könnte fliegen. Raus aus dem gelben Gefängnis, über die Äcker davonfliegen und niemals anhalten, um nichts in der Welt. Vielleicht würde er der werden, der er in jenem Moment war, in dem Zimmer, an dem Fenster.
    Jetzt sah er sich um. Er hatte die Stadt schon hinter sich gelassen. Die Landstraße war gesäumt von Äckern. Er flog nicht, aber er hielt auch nicht an, um nichts in der Welt. Er war nur kurze Momente ruhig, sie gingen vorbei und dann musste er seine Reisen fortsetzen zwischen den Orten und Städten, die so klein waren und so versteckt in den Wäldern lagen, dass nur wenige Durchreisende überhaupt ihre Namen erfassten.
    Das Radio lief, aber er hatte nicht zugehört. Jetzt stellte er es lauter. Einer Rettungsmannschaft war es gelungen, ein kleines Loch zu bohren und über ein Mikrofon Kontakt zu neun Bergleuten in Not herzustellen, die in einer Grube in Frankreich eingeschlossen waren. Johnny hatte vorgestern von dem Einsturz gehört. Der Nachrichtensprecher wiederholte den Namen des Ortes. Es klang wie Champagne. Die Stimmung in der Grube sei gut, sagte der Nachrichtensprecher. Man hatte Nahrung und Batterieleuchten hinuntergeschickt.
    An der Einfahrt zum nächsten Ort hob sich plötzlich eine Schar schwarzer Vögel in den Himmel, als ob sie sich und die Menschen verteidigen wollten, die hier wohnten. Die Vögel kreisten über den Häusern am Ortsrand und waren plötzlich verschwunden, wie von der Dämmerung aufgesogen. Ihre Schreie hingen noch in der Luft, aber die gezackte Wolke von Vögeln war jetzt nur noch ein Teil des Himmels, und als auch die Schreie erstarben, wurden sie ersetzt vom Geräusch des Zuges, der an der anderen Seite des Ortes vorbeidröhnte. Er konnte den Zug hören, ihn jedoch noch nicht sehen. Es war ein weicherer Laut als die Schreie der Vögel, ihm kam es fast wie eine Art Willkommensgruß vor, obwohl sich der Zug entfernte. An Zügen war etwas Besonderes. Ein Zug fährt immer weiter,

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