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Der Jukebox-Mann

Der Jukebox-Mann

Titel: Der Jukebox-Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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sah sich plötzlich selbst als Jungen, wie er über ein offenes Feld lief. Er sah Seveds Hand. Er sah noch eine Hand, und die trug einen Handschuh, einen schwarzen Handschuh. Er hörte einen Schrei.
    Elisabeths Schritte drangen in seine Erinnerungen und er öffnete die Augen.
    »Bist du eingeschlafen?«
    »Nein, nein.« Er richtete sich auf. »Gefahr gebannt?«
    »Der Pullover hatte sich ihm wie eine Wurstpelle um den Hals gewickelt.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich versteh nicht, wie Lennart das immer wieder schafft.«
    »Tiefschlaf«, sagte er. »Da ist alles anders.«
    »Ausnahmsweise«, sagte sie.
    »Was meinst du?«
    »Er schläft nicht besonders gut, seit … Bertil abgehauen ist.«
    Johnny nickte wortlos.
    »Seit er uns verlassen hat.«
    »Und du hast immer noch nichts von ihm gehört?«
    »Ich nicht und die Polizei nicht und sonst auch niemand.«
    Sie lachte auf, kurz und hart. »Wenn man eine Suchmeldung aufgibt, rechnet man eigentlich damit, dass jemand irgendetwas gehört oder gesehen hat.«
    »Könnte nicht …«
    »Du meinst, ihm ist etwas passiert?«, fiel sie ihm ins Wort. »Ja, das glauben wohl alle. Aber ich glaub nicht daran.«
    »Warum nicht?«
    Elisabeth hatte sich auf die Couchkante gesetzt und war ein bisschen zusammengesunken, aber jetzt richtete sie sich auf, als ob ihre Gedanken das forderten.
    »Ich kenne ihn«, sagte sie. »Leider.«
    »Hat er nichts gesagt, bevor er verschwand?«
    »Er war betrunken.«
    »Ja … aber hat er was gesagt?«
    »Gesagt hat er viel. Aber das willst du wohl nicht hören.«
    »Nee, lieber nicht.«
    Sie schien ihn durch das schwächer werdende Licht anzublinzeln, das sich im Raum ausbreitete, der Abend draußen war schon vor Stunden in Nacht übergegangen.
    »Ich weiß, was du denkst«, sagte sie. »Du denkst daran, was man sagt, wenn man zu viel getrunken hat, und woran man nicht erinnert werden möchte.«
    »Daran möchte ich wirklich nicht denken.« Er versuchte zu lächeln. »Es geht ja gar nicht darum, was man in so einer Situation von sich gibt, sondern vielmehr darum, was man tut.«
    »Aber ich denke daran«, sagte sie. »Ich möchte nicht wiederholen, was Bertil gesagt hat.«
    »Erzähl mir, was du möchtest«, sagte er. »Ich halte das aus.«
    »Ja … daran bist du vermutlich gewöhnt.«
    »Wie meinst du das?«
    »Dir die Probleme von anderen Leuten anzuhören. Ich hab dich doch im Café beobachtet. Woanders ist es wahrscheinlich genauso. Du bist der Einzige, der sich hier draußen auf dem Land blicken lässt, und dann musst du dir alles anhören, was die Leute so daherplappern.«
    »Das ist okay.«
    »Sagst du das?«, fragte sie.
    »Wie meinst du das?«
    »Zu den Leuten. Dass es okay ist. Dass alles okay ist.«
    Er suchte nach einem Lächeln in ihrem Gesicht, fand aber keins. Sie saßen im Halbdunkel. Elisabeth zündete eine Kerze an, die auf dem Tisch stand, und die Flamme warf ihre Schatten ins Zimmer.
    »Nein«, sagte er, »ich meine, es ist okay, wenn die Leute reden, wenn ihnen danach ist … wenn sie es brauchen.«
    »Vielleicht solltest du dich dafür bezahlen lassen.«
    »Daran hab ich auch schon gedacht. Wenn die Wahrsagerin zehn Kronen nimmt, kann ich wohl auch was verlangen. Ich nehm fünfzehn.«
    »Aber sie erzählt die Zukunft.«
    »Die Gegenwart ist wichtiger«, sagte er.
    »Wirklich?« Sie hielt die Hand über die Kerzenflamme. Die Schatten im Zimmer veränderten sich. »Manchmal frage ich mich das wirklich. Wer lebt in der Gegenwart? Nur das, was war, und das, was sein wird, scheint etwas zu bedeuten.« Sie schaute auf. »Wie das, was ich vorhin von Lennart gesagt habe, dass er schlecht schläft. So ist es für ihn … er denkt an das, was war, und daran, wie die Zukunft wird.« Sie senkte die Hand wieder über die Flamme. Ein Schatten an der Wand hinter ihrem Rücken wurde zusammengepresst. »Alles soll werden … wie es früher war.«
    »Möchtest du das auch?«, fragte er.
    Sie sah auf.
    »Wie meinst du das, Johnny?«
    »Dass alles wie früher wird.«
    »Hier geht es nicht um mich«, sagte sie. »Nicht in allererster Linie. Es geht um meinen Sohn.«
    »Pass auf, du verbrennst dich«, sagte er.
    »Schon passiert.« Sie zog die Hand weg, stand auf und ging rasch in die Küche. Er hörte Wasser laufen und sah durch die offene Tür, wie sie die Hand unter den Wasserhahn hielt. Er sah zu den Handschuhen vor ihm auf dem Tisch. Die hätten sie auch nicht schützen können, die Flamme hätte ein Loch hineingebrannt.
    Er stand auf und ging zu

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